Wirtschaft und Ökologie: Mittelstand ist Treiber der Transformation
Bundestagskandidat Johannes Kretschmann im Gespräch mit Unternehmer Gottfried Härle
Gottfried Härle ist Brauereibesitzer in Leutkirch. Und er setzt sich seit Jahrzehnten für mehr Umwelt- und Klimaschutz ein, seine fast 125 Jahre alte Brauerei ist vielfach ausgezeichnet für seine Unternehmensführung und die klimaneutrale, nachhaltige Produktion. Zudem ist er Mitgründer von UnternehmensGrün, einem Zusammenschluss von Unternehmen, der sich seit 1992 für die ökologische Ausrichtung der Wirtschaft einsetzt.
Mit ihm diskutierte nun Johannes F. Kretschmann, Bundestagskandidat der Grünen für die Zollernalb und Sigmaringen, in der Alten Schule in Sigmaringen. Ein Gespräch auf Augenhöhe über den klimafreundlichen und sozialen Umbau der Wirtschaft.
In Härles Brauerei setzt man seit eh und je auf Nachhaltigkeit: Die Zutaten kommen aus der Region, produziert wird seit 2009 klimaneutral. Für Härle ist der Mittelstand ein ganz wichtiger Faktor: 60 Prozent der Arbeits- und 80 Prozent der Ausbildungsplätze finden sich in kleinen und mittleren Unternehmen, und gerade familiengeführte Unternehmen denken generationenübergreifend und damit nachhaltig.
Johannes Kretschmann bestätigte den Eindruck, dass die Wirtschaft in der Region der Transformation positiv gegenübersteht, innovativ denkt und entsprechend investiert. Betriebe wie Korn Recycling in Albstadt, Off Grid in Pfullendorf oder Hausbau Braun in Stetten seien schon auf einem guten Weg, „sie wissen, dass es die Veränderung braucht, um wettbewerbsfähig zu bleiben.“ Entsprechend mittelstandsfreundlich ist auch das Wahlprogramm der Grünen ausgerichtet.
Eine nachhaltige Wirtschaftspolitik, das ist die Forderung von Gottfried Härle: UnternehmensGrün, heute der Bundesverband Nachhaltige Wirtschaft e.V., hat inzwischen über 450 Mitglieder, „der Mittelstand öffnet sich dem Thema“, stellt er fest. Klimaschutz und soziale Fragen gehören für den Brauereibesitzer selbstverständlich zu einem verantwortungsvollen Unternehmertum, doch das ist noch nicht überall angekommen. Eine aktuelle Umfrage der DZ-Bank unter 700 Betrieben zeigt, dass sich bislang erst 40 Prozent verstärkt darüber Gedanken gemacht haben, 52 Prozent hingegen überhaupt noch nicht. Nur jedes zwölfte Unternehmen hat bislang Maßnahmen ergriffen, um nachhaltiger zu werden.
Das Konsumverhalten wird bewusster, hat Härle festgestellt, aber es braucht auch Unterstützung der Politik. Weg mit dem Dienstwagenprivileg, Neugestaltung des EEG, damit Unternehmen selbst produzierten Strom besser nutzen können, Ausbau von Breitband und Schiene, Anreize für mehr Kreislaufwirtschaft, ökologische Kriterien bei öffentlichen Ausschreibungen und der Blick auf die demographische Entwicklung – das Einwanderungsgesetz hält Gottfried Härle nicht für praktikabel und hat daher 2018 eine entsprechende Initiative mitbegründet. Bei Steuersenkungen für Unternehmen zeigt sich Härle skeptisch, „unternehmerische Verantwortung schließt die Pflicht zur Steuerzahlung ein“, findet Härle.
Johannes Kretschmann stellte den Vorschlag zur Diskussion, den Mehrwertsteuersatz für Essen und Trinken auch in der Gastronomie auf sieben Prozent zu senken, um dem Sterben der Wirtshäuser auf dem Lande etwas entgegenzusetzen. Braumeister Härle meinte auch, dass die Gastronomie staatliche Unterstützung benötige, besonders nach der Coronakrise.
Auf die Frage aus dem Publikum, ob denn nun Glasflaschen oder solche aus PET ökologischer sind, differenzierte der Brauereibesitzer, der neben Bier auch Fruchtsäfte herstellt: Im regionalen Vertrieb sticht Glas die PET-Flasche, bei größeren Entfernungen schwindet der Vorteil. Ob eine Bilanz in Sachen Gemeinwohlökonomie sinnvoll sei, wollte Johannes Kretschmann wissen. Nein, das hätten sie bewusst nicht gemacht, betonte Gottfried Härle, das Instrument habe sich für sie nicht erschlossen. Wichtig sei aber eine Berichterstattung über große Unternehmen, die nicht nur auf finanzielle Faktoren blicke, sondern auf deren Ökobilanz, um Wohlstand nicht einseitig zu definieren: Dieser ist schließlich auch von gesunder Umwelt und einer guten Lebensgrundlage für zukünftige Generationen abhängig.