LAG Frauenpolitik – Mehr Frauen in die Räte, mehr „Führungsfrauen“!

Berichte. Präsenzveranstaltung im Landtag in Stuttgart am 10.06.2023

Zur Zusammenkunft der LAG Frauen in einem Sitzungsraum des Landtags war Swantje Sperling, Sprecherin für Kommunalpolitik der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Landtag, eingeladen, die über eine feministische Kommunalpolitik sprach, worauf sich ein reges Gespräch anschloss. Sie betonte, dass ein feministischer Blickwinkel bedeute, das Augenmerk auf Rechte, Repräsentanz und Ressourcenausstattung von Frauen und marginalisierten Gruppen zu legen. Dabei gelte es, tradierte Denk- und Politikmuster herauszufordern, politische Priorisierung und Kohärenz zu überprüfen. Das fördere Politikinnovationen. Der Frauenanteil bei den letzten Kommunalwahlen 2019 sei zwar auf einem Höchststand gewesen, betrage jedoch nur 23,9 Prozent.

Um mehr Frauen auf die Wahllisten zu bekommen, sei es notwendig, für die Vereinbarkeit des kommunalpolitischen Mandats mit dem Alltag der Frauen zu sorgen, sowohl beruflich als auch privat. Das sei möglich, wenn es digitale/hybride Sitzungen gebe, die Sitzungskultur (Redezeiten, Tagesordnung etc.) eingehalten werde sowie Elternzeit-Regelungen für Ehrenamtliche und Erstattung von Kosten für externe Betreuung von Kindern oder zu pflegenden Angehörigen eingeführt werden. Frauennetzwerke müssten gestärkt werden. Die GAR arbeitet hierzu Vorschläge für Veranstaltungen, Musteranträge und Aktionen vor Ort aus. Swantje unterbreitete auch Vorschläge zur Sicherheit im öffentlichen Raum sowie für ein „familienfreundliches Rathaus“.

Eine spannende Idee war es, sich dafür einzusetzen, dass Gemeinderät*innen und Kreisrät*innen eine Auszeit nehmen dürfen. In der Runde wurde deutlich, dass Frauen in den Gremien immer noch gegen das männliche Machtgehabe ankämpfen müssen und es viel Energie koste, sich dagegen zu wehren.

Die Landtagsfraktion befasst sich, wie Stefanie Seemann, Sprecherin für Frauenpolitik, ausführte, u.a. mit sexualisierter Gewalt in hierarchisch aufgebauten Strukturen sowie mit der Evaluation des Chancengleichheitsgesetzes. Ebenso setzt sie sich dafür ein, dass Frauen in Not nicht nur für 72 Stunden in Frauenhäuser aufgenommen werden, sondern für eine Woche.

Online-Veranstaltung am 22.07.2023

Die Gespräche bei der Online-Veranstaltung, zu der die beiden Vorsitzenden der LAG Frauenpolitik, Susanne Häcker und Carmen Kremer, Frauen in Führungspositionen eingeladen hatten, bewiesen in erschreckendem Maße, wie viel Energie es Frauen kostet, sich gegen männliches Machtgehabe durchsetzen. Dies war bereits Thema in der vorangegangenen Präsenzveranstaltung. Zu den eingeladenen Frauen gehörten Dorothee Eisenlohr, Oberbürgermeisterin der Stadt Schramberg, Carmen Haberstroh, Oberbürgermeisterin von Metzingen, und Angela Weiskopf, Baubürgermeisterin von Reutlingen.

Es war ein fröhlicher und auch stärkender Austausch zwischen den Frauen und der LAG. Er drehte sich um die Schlüsselmomente in der Laufbahn der „Führungsfrauen“, durch was sie sich gefördert oder gebremst fühlten, um Momente, in denen sie merkten, dass Frauen es schwerer haben, und um Tipps für mögliche Bürgermeister-Kandidatinnen.

Deutlich kam in den Gesprächen heraus, dass sich alle erst einmal daran gewöhnen müssen, wenn sie es mit einer Frau in einer Führungsposition zu tun haben. „Ich war die erste Frau, die in der Verwaltung in Metzingen eine Führungsposition erhielt. Das war für alle ein Experiment“, schmunzelte Carmen Haberstroh, die seit 2021 Oberbürgermeisterin der Stadt ist.

Alle drei Frauen betonten, dass es Mut brauche, um sich durchzusetzen, und es wichtig ist, mit Selbstvertrauen ein solches Amt anzugehen. Selbstvertrauen sei sogar hilfreicher als zu sehr auf Perfektionismus zu setzen. Die Männer würden sich häufig in den Vordergrund bringen. Da sie meist mehr Körpermasse hätten und lauter seien, gelinge es ihnen besser, sich Raum zu verschaffen.

Es helfe, eine Idee strategisch gut vorzubereiten, um sie durchzusetzen. Dorothee Eisenlohr erzählte, dass der Ärger darüber, wie man mit ihr als Frau in Sitzungen umgegangen sei, sie motiviert habe, den Weg in die Führungsebene zu gehen. Beispielsweise sei sie in Versammlungen von Männern mehrfach abgekanzelt worden. Obwohl Frauen häufig ein besseres Verhandlungsergebnis erzielen, werde es ihnen nicht zugetraut, große Verträge abzuschließen.

Allerdings ergänzte Angela Weiskopf, dass sie von Männern auch ein großes Hilfsangebot erhalten habe, das Männer sich gegenseitig so nicht geben. „Wir dürfen uns nicht in Frauennetzwerken verstecken“, mahnte Dorothee Eisenlohr, dem sich Carmen Haberstroh anschloss: „Wir müssen in die Männerrunden!“

Alle drei Frauen sprachen sich klar für die Frauenquote aus! Gerade die Grünen hätten mit dem frühen Setzen auf die Frauenquote gezeigt, dass dies zielführend ist, denn sie hätten nun eine Auswahl gut qualifizierter Frauen. Ebenso setzten sie auf Förderprogramme, um ein Frauennetzwerk aufzubauen und sich gegenseitig zu stärken.

„Jobsharing at the top“ sei nicht nur in der Wirtschaft sinnvoll, sondern auch in politischen Ämtern, denn zum einen sei es spannend, Verantwortung zu teilen, zum anderen setze gerade die Generation Z verstärkt auf Work/Life-Balance.

Angehenden Bürgermeister-Kandidatinnen riet Carmen Haberstroh, sich Unterstützungssysteme zu suchen. Eine gute Strategie sei es, die richtigen Themen zu besetzen, Ansprechpartner*innen in der Kommune zu suchen, auf professionelle Kommunikation zu setzen sowie mit der eigenen Familie einig zu sein.

Carmen Kremer habe beobachtet, dass Frauen sich eine Führungsposition oft nicht zutrauen, da sie nichts mit Macht zu tun haben wollen. Sie erlebe es, dass Frauen sich gegenseitig nicht stärken. Ob das ein Neid-Problem sei? Die Frage blieb offen.

Ein Coaching helfe Frauen, die sich weiterentwickeln wollen, meint Carmen Haberstroh. Frauen sollten sich nicht nur mit Frauen vergleichen. Wichtig sei die Kinderbetreuung und die geteilte Führung. „Desk-Sharing wird kommen“, davon ist Angela Weiskopf überzeugt, denn der Zeitaufwand in Führungspositionen sei sehr hoch. Die Bürgermeisterinnen sprachen von häufigen 60-Stunden-Wochen.

Isabell Michelberger

Fragen und Anregungen an Isabell sendet gerne an info@gruene-sigmaringen.de