Haushaltsrede der Fraktionsvorsitzenden Ursula Voelkel im Stadtrat Sigmaringen

Stellungnahme zum Haushaltsplan 2021 der Fraktion Bündnis 90/Grüne

 

Die Auswirkungen von Corona für unseren Haushalt sind aufgrund von teilweise umfangreichen finanziellen Unterstützungen des Landes und des Bundes, aber auch durch die Zurückstellung weniger dringliche Maßnahmen für die Stadt und die Bürger*innen glimpflich geblieben. Entgegen der Planung mussten wir keine Schulden machen.

Der neue Haushaltsplan weist eine veränderte Gliederung auf und ist produktorientiert aufgebaut. Er wird dadurch etwas übersichtlicher. Vielen Dank an dieser Stelle an Herrn Storrer und besonders an Herrn Milani, der beim personellen Engpass kurzfristig eingesprungen ist.

Bei der Betrachtung dieses Haushaltsplans stellen wir uns die Frage, was sind unsere Ziele für unsere Stadt und wie können sie auf der Grundlage dieses Plans erreicht werden?

Unsere Ziele sind: Gute Lebensbedingungen für alle Menschen, die hier leben, für alle Generationen, jetzt und in der Zukunft. D.h. wir wollen den Plan auch auf “Enkeltauglichkeit” prüfen. Enkeltauglich ist nur was mit den Pariser Klimaschutzabkommen von 2015 vereinbar ist, denn wir dürfen trotz der dramatischen Pandemie nicht die noch gefährlichere Klimakrise aus den Augen verlieren.

Was brauchen Menschen, um gut in ihrer Umwelt zu leben:

  • Sicherheit
  • Wohnen – Arbeit – Mobilität – Einkaufen – Gastronomie
  • Kindergärten – Schulen – Hochschule und Innovationscampus
  • Kultur – Sport – Vereine
  • Miteinander gut leben

Sicherheit: Eine gut ausgerüstete Feuerwehr ist von elementarer Bedeutung. Deshalb werden hier notwendige Investition wie die Erweiterung der Fahrzeughalle in Sigmaringen vorbereitet. Zur Sicherheit gehören auch die Einrichtungen für Obdach- und Wohnsitzlose, die von der Stadt unterstützt werden.

Wohnen: Das Ziel ist, dass bezahlbarer Wohnraum für alle Bevölkerungsgruppen zur Verfügung steht. Für Gutverdienende steht die Erschließung von Baugebieten im Vordergrund. In der Vergangenheit wurden leider die gesetzlichen Möglichkeiten des §13b Baugesetz ausgenutzt, um Baugebiete ohne die normalerweise vorgeschriebenen Ausgleichsmaßnahmen auszuweisen. Wir haben das von Anfang an kritisiert. Ausdrücklich ging es uns dabei nicht darum, die Entwicklung insbesondere der Teilorte zu behindern, sondern um das Vorgehen nach §13b. Dieser Flächenverbrauch ohne ökologische Ausgleichsmaßnahmen geht auf Kosten künftiger Generationen, d.h. ist nicht enkeltauglich. Auch das Projekt am Gorheimer Bach wurde nach §§13a /13b Baugesetz im beschleunigten Verfahren ausgewiesen. Aufgrund der verdichteten Bauweise und der günstigen Mietpreise haben wir nach Abwägung gegenüber ökologischen Belangen mehrheitlich diesem Projekt zugestimmt. Erfreulicherweise gibt es auch Projekte im Geschosswohnungsbau z:B. von der GSW.

Arbeit: Nach dem Abzug der Bundeswehr sollen auf dem Konversionsgelände nach und nach neue Arbeitsplätze entstehen. Kernstück ist der Innocamp, der in enger Zusammenarbeit mit der Hochschule gestaltet wird. Nach dem Technologiezentrum ITZ werden in diesem Jahr auch die Modellfabrik mit der Akademie in Betrieb gehen. Zum anderen wird das Interkommunale Gewerbegebiet IGGS entwickelt, einige Gebäude werden schon vermietet. Außerdem unterstützt die Wirtschaftsförderung Handel und Gewerbe in der Stadt. Sigmaringen ist als “Gründungsfreundliche Kommune” ausgezeichnet. Das Konzept dazu wurde in Zusammenarbeit verschiedener Akteure aus Schulen, Hochschule, Gewerbe und Politik entwickelt.

Mobilität: beim Thema Mobilität liegt unser Schwerpunkt und Anspruch bei der umweltfreundlichen Mobilität. Das von uns beantragte Mobilitätskonzept, bei dem alle Verkehrsteilnehmer vom Fußgänger bis zum LKW als gleichwertig betrachtet werden sollen, liegt leider noch nicht vor.

Wir begrüßen die geplanten Maßnahmen im Bereich Fahrrad-Mobilität wie die Teilnahme an der Initiative zur Förderung der Radkultur, den Ausbau verschiedener Radwege sowie die Einrichtung von Abstellmöglichkeiten. Und wir sind gespannt auf den “Charger Cube”, einer geförderten Fahrrad-Servicestation. Auch interessant ist die Ausweisung von E-Bike-Radtouren. Es ist für uns aber wichtig, das Fahrrad nicht nur touristisch, sondern als tägliches Verkehrs- und Fortbewegungsmittel zu begreifen, wichtig ist in dem Zusammenhang die Ausweisung von Rad-Schulwegen, die Teil der Initiative Radkultur ist.

Ein wichtiger Mobilitätsträger in Sigmaringen ist der Stadtbus. Hier sollte die Ausweitung auf die neuen Baugebiete und die Teilorte angestrebt werden (Stadtwerke). Die Fahrt mit dem Stadtbus sollte günstiger sein als das Parken in der Innenstadt.

Unsere Stadtwerke fördern E-Mobilität mit einem Anschaffungszuschuss für E-Bikes und besonders auch für E-Lastenräder. Bahnverkehr: Wir begrüßen die Bemühungen des Landkreises um die Elektrifizierung der Zollernbahn sowie um die Reaktivierung der Ablachtalbahn. Hier wünschen wir uns von der Stadt eine unterstützende Haltung. Zur Barrierefreiheit des Bahnhofs werden Gespräche geführt, hoffentlich mit positiven Ergebnissen. Sigmaringen ist in eine höhere Priorität eingestuft worden, daher warten wir auf baldige Umsetzung.

Die Unterstützung der Planungen zur B311/313neu mit 30000 € jährlich bis 2027 lehnen wir nach wie vor ab, diese Maßnahme ist nicht im Sinne nachhaltiger Mobilität und somit nicht enkeltauglich. Außerdem sind Bundesverkehrswegeplanungen nicht Aufgabe der Kommune.

Wir begrüßen, dass die Stadt der Lärminitiative des Landes beigetreten ist und hoffen, dass dadurch politischer Druck aufgebaut wird, um die Lärmbelastung für Bewohner*innen von Laiz und Gutenstein zu verbessern.

Einkaufen, Gastronomie: Die Gutscheinaktion im Spätjahr wurde sehr gut angenommen, konnte aber wegen des Lock-Down ihre Wirkung noch nicht in Gänze entfalten. Wir haben mit unserem Einzelhandelskonzept ein gutes Instrument für dem Handel in der Innenstadt und können den Bürger*innen ein breites Einkaufsangebot gewährleisten. Wir hoffen alle, dass die Maßnahmen zur Belebung der Innenstadt von verkaufsoffenen Sonntagen bis zum Weihnachtsmarkt in diesem Jahr wieder stattfinden können. Investitionen in diesem Bereich sind u a. für die Weihnachtsbeleuchtung geplant. Auch eine Erneuerung der Abfallbehälter in der Innenstadt würde das Erscheinungsbild verbessern. Die Frage der Erweiterung der Fußgängerzone in der Schwabstraße und der Fidelisstraße steht noch im Raum. Wir haben hierzu eine Bürgerbefragung vorgeschlagen.

In puncto Gastronomie gibt es positive Entwicklungen im Marstall mit dem geplanten Erlebnisrestaurant der Zoller Brauerei, angeschlossen das Zündapp-Museum.

Wir investieren weiter in unsere städtische Immobilie Bootshaus. Es wird ein Be- und Entlüftungssystem geben, einen verbesserten Dunstabzug in der Küche sowie einen Kiosk im Außenbereich. Das neue “Karls Hotel” wird bald fertig und wird das Angebot für unsere Gäste wesentlich verbessern. Es wird auch die Attraktivität der Stadthalle als Tagungsort erhöhen.  Durch Nutzung des Liefer- und Abholangebots kann auch jetzt in der Pandemiezeit jeder die örtliche Gastronomie und den Einzelhandel unterstützen. Hoffentlich kann/ darf wieder alles öffnen.

Kindergärten:  Der Bedarf an Kinderbetreuung steigt stetig, nicht nur weil sich die Lebenssituationen der Eltern ändern, sondern weil es tatsächlich mehr Kinder gibt. Mit dem Neubau eines Kindergartens in zentraler Lage in der Au, gut mit dem Bus erreichbar, tragen wir dem Rechnung. Um enkeltauglich zu sein, muss er auf jeden Fall mindestens im Null-Energiehaus-Standard gebaut werden und eine PV-Anlage erhalten. Es freut uns, dass der Kindergarten Gorheimer Allee mit einer PV-Anlage nachgerüstet wird.

An dieser Stelle zu erwähnen ist der Neubau des “Kinderhäusle”.

Der Erfolg im Ferienprogramm in den vergangenen Jahren führte zu dem Wunsch, ein “eigenes” Kinderhäusle zu haben. Es erhält einen prominenten Platz an der Donaupromenade und ist Dank eines großzügigen Leader-Zuschusses in der gewünschten Form realisierbar. Wir wünschen uns eine starke Nutzung im Bereich der Umweltbildung.

Schulen: Das Schulangebot in Sigmaringen ist gut. Die flexiblen Schulkonzepte der Werkreal- und Realschule bieten viele Möglichkeiten für gemeinsames Lernen. Die Stadt hat in den vergangenen Jahren schon viel in die Digitalisierung investiert, zunächst in den Breitbandanschluss aller Schulen, jetzt folgen die Endgeräte und weitere Infrastruktur.

Die Sanierung des HZG ist abgeschlossen, es wurde sowohl energetisch saniert als auch Raum für neue pädagogische Konzepte geschaffen. Wir freuen uns darüber, dass unser Antrag für eine PV-Anlage noch umgesetzt wurde die demnächst in Betrieb geht. Ein Wermutstropfen ist, dass das HZG nach wie vor auf der Basis von fossilem Gas beheizt wird. Jetzt kommt die Bilharz-Grund- und Werkrealschule dran, wobei definierte Energiestandards angestrebt werden sollten. Die Errichtung einer PV Anlage ist vorgesehen. Erfreulicherweise wird die Turnhalle der Realschule mit einer Pv-Anlage ausgestattet.

Hochschule: Die Hochschule Albstadt-Sigmaringen stellt ein Alleinstellungsmerkmal für die Stadt im Landkreis dar. Studierende sind Bürger*innen, die die Stadt vielfältig bereichern. Auf die Bedeutung der Zusammenarbeit der Stadt mit der Hochschule bei der Entwicklung des Innocamp haben wir schon hingewiesen

 

Kultur: Das kulturelle Angebot fehlt uns gerade allen. Das Kulturkonzept soll endlich umgesetzt werden. Die Zuschüsse an den Verein Kunst und Kultur und an den Alten Schlachthof werden fortgeführt. Wir investieren in die Medientechnik der Stadthalle, sanieren das Dach des Alten Schlachthof. Die Alte Schule mit der Bibliothek und der Musikschule bietet den Bürger*innen viel, die Stadt setzt hier große Geldsummen ein, um dieses attraktive Angebot zu erhalten.

Im Rahmen des Stadtfestes wollen wir einiges feiern: 25 Jahre Städtepartnerschaft mit Feldkirch, 20 Jahre mit Boxmeer und die Partnerschaft mit Thann soll besiegelt werden. Trotz angespannter Haushaltslage sind uns die Verbindungen zu unseren Partnerstädten auch unter dem europäischen Gedanken sehr wichtig.

Den sich wandelnden Bedürfnissen in der Bestattungskultur tragen wir mit der Umsetzung der Friedhofkonzepte in den Teilorten sowie der Kooperation mit dem Fürstenhaus bei der Einrichtung eines Ruheforstes Rechnung.

Sport – Vereine: Das Vereinsleben hat in der Stadt und den Teilorten einen hohen Stellenwert. Die diversen Freiwilligkeitsleistungen werden beibehalten und die Instandhaltung der Sportstätten wird unterstützt. Die umfangreiche Sanierung hat die Attraktivität des Freibads deutlich gesteigert und ermöglicht vielfältige Formen des Wassersports und Badespaßes, vorausgesetzt Corona macht uns keinen Strich durch die Rechnung.

Miteinander leben, miteinander feiern: Das Feiern ist im letzten Jahr zu kurz gekommen, dabei kann die Bedeutung der Feste und Veranstaltungen für die Menschen in unserer Stadt gar nicht hoch genug eingeschätzt werden.  Wir müssen alles dafür tun, dass Begegnungen wieder möglich werden. Auch die Integration lebt von den Begegnungen, nicht nur beim Fest der Kulturen.

Wir wollen die Verantwortung füreinander nicht nur auf unsere Stadt beschränken. Für uns gehört der Blick auf die globalen Verhältnisse dazu. Wir müssen unsere Verantwortung ernst nehmen und im Kleinen beginnen, z.B. Fair-Trade, die Verpflegung und Beschaffung im Rathaus sollte unter dem Fair-Trade-Anspruch unter die Lupe genommen werden. Auch die Verwendung regional erzeugter Lebensmittel ist Zeichen von fairem Umgang mit der heimischen Landwirtschaft.

Zur globalen Verantwortung gehört auch der Umgang mit Geflüchteten, z.B. in der Seenotrettung. Der Beitritt zum Bündnis “Sicherer Hafen” ist uns sehr wichtig. Das, was zurzeit auf dem Mittelmeer und in den Lagern auf den griechischen Inseln und auf dem Balkan passiert ist mit unserem christlichen Verständnis nicht vereinbar.

Stadtwerke: Im vergangenen Jahr gab es die rechtliche Umstellung der Stadtwerke von einem städtischen Eigenbetreib in eine GmbH mit der Stadt als einzigem Gesellschafter. Dadurch sollen die Stadtwerke zukunftssicher aufgestellt werden und weiterhin zur Daseinsvorsorge für die Bürger*innen wirken können. Durch Erträge im Wesentlichen bei der Energieversorgung werden z.B. die Bereiche Bäder und Stadtbus finanziert. In Kombination mit der Firma Solarcomplex wird nun erstmals in Jungnau in einem Teilort ein Nahwärmenetz aufgebaut, das auf reges Interesse stößt. Hier entsteht eine enkelverträgliche Wärmeversorgung, die wir uns auch für die anderen Teilorte wünschen. Nach dem gesundheitsbedingten Ausscheiden des langjährigen und sehr erfolgreichen Leiters der Stadtwerke, Bernt Aßfalg, wird mit dem neuen Geschäftsführer Markus Seeger ab dem Frühjahr ein Zukunftskonzept erarbeitet werden. Hierbei wird der Ausbau von Dienstleistungen z.B. im Bereich der Elektromobilität und der umweltfreundlichen Stromerzeugung sicher eine große Rolle spielen. Mit dem Projekt ´Solardach+´ der Stadtwerke kann jeder bereits jetzt zu einem Solarbotschafter werden.

Im Rahmen des Großprojekts EQSIG (Energieautarkes Quartier Sigmaringen) lassen die Stadtwerke Sigmaringen gemeinsam mit ihren Partnern die Energiewende Wirklichkeit werden. Der Umbau der Heizzentrale ist bereits erfolgt.

Abschließend noch ein paar Anmerkungen zum Naturschutz: Der Artenschwund, besonders auch in der Insektenwelt, macht ein Neudenken im Bereich der Biodiversität notwendig. Als erste Schritte entstanden in Kooperation mit dem Naturschutzbund innerstädtisch einige Blühflächen. im Rahmen des Projekts “blühender Naturpark” gab es erste Aktivitäten im Bereich der Luise-Leininger-Schule und beim Tennisclub in Gutenstein. Das Land fördert den Biotopverbund durch eine Stelle bei der Unteren Naturschutzbehörde. Ein Biotopverbund in Sigmaringen könnte im Bereich der Teilorte Unterschmeien, Oberschmeien und Jungnau beginnen. Durch Änderung des Mahdregimes an Wegrändern könnten hier deutliche Verbesserungen für die Artenvielfalt (z.B. Kreuzenzian) erzielt werden. Eine neuer Kalkabbau im Donautal bei Thiergarten, wie er derzeit noch im Entwurf des Regionalplans Oberschwaben vorgesehen ist, wäre für den Naturschutz Gift.

Wir Grünen sind der Ansicht, dass der diesjährige Haushaltsplan schon einige Maßnahmen in Richtung einer nachhaltigen Entwicklung und mehr Klimaschutz beinhaltet. Aber die harten Notwendigkeiten der Klimakrise machen noch deutlichere Zielsetzungen in Zukunft notwendig. Hier könnte die Stadt von mehr Bürgerbeteiligung profitieren.

Der Haushalt 2021 sieht aufgrund umfangreicher Investitionen eine Aufnahme von Krediten in Millionenhöhe vor. Aber bereits für die Jahre 2023 und 2024 sollen positive Zahlenwerte im Ergebnishaushalt dafür sorgen, dass sich die Finanzlage stabilisiert. Wir danken allen, die an diesem Plan mitgewirkt haben sowie der Verwaltung für die gute und vertrauensvolle Zusammenarbeit. Wir stimmen dem Haushaltsplan zu.

Ursula Voelkel