„Gockel-Gehabe“ und Quote – Bericht aus der LAG Frauen

Die Online-Sitzung der LAG Frauenpolitik befasste sich am 16. Juli 2022 mit der Situation von Frauen in Führungspositionen. Als Referentinnen waren eingeladen die Unternehmerin Gabriele Kolompar, Geschäftsführerin der Firma Engel (Wäsche und Bekleidung aus Naturfasern), Pfullingen, Alina Welser, Sprecherin der Grünen LAG Europa und Kreisvorstand der Grünen in Biberach, sowie Vera Naumann, Trainerin in der Erwachsenenbildung, die Seminare, Workshops und Coachings anbietet.

Die Teilnehmerinnen der Runde mussten feststellen, dass die Corona-Pandemie die Frauen in ihrem Bestreben nach Gleichstellung um eine Generation zurückgeworfen hat, da sie die Familien-Hauptlast trugen. Viele in der Runde sprachen sich dafür aus, dass es eine Frauen-Quote brauche, um Frauen in die Führungsspitze von Unternehmen zu bringen. Alina Welser, die als Praktikantin während ihres Studiums in einige Führungsebenen Einblick bekam, meinte, dass es keine offene Diskriminierung gebe, aber viel im Graubereich geschehe. Bei einem Mann gelte es als Kompetenz, wenn er durchsetzungsstark auftrete, eine Frau hingegen werde dann als unsympathisch eingeschätzt. Wenn eine Frau ein Unternehmen konsequent führt, mache sie sich nicht beliebt, ein Mann hingegen schon.

Gabriele Kolompar konnte erfahren, dass sich einiges verändert habe und sie nicht mehr die einzige Frau sei, die ein Unternehmen führt. Die älteren Männer akzeptieren nach ihrer Erfahrung eher Frauen in Führungspositionen. Die jungen Männer hingegen zeigen Gockel-Gehabe. Ihnen gehe es ums Verdienen und um Statussymbole. Frauen hingegen seien oft kritischer und ihr Denken nachhaltiger. Die Unternehmerin sprach von einer emotional extremen Hürde, welche Frauen nehmen müssen, um in einer Führungsposition anzukommen. Alina bestätigte, dass es bei einer Männermehrheit viel Mut brauche, um auf Aussagen gegen Frauen zu reagieren. Und Vera Naumann konnte von ihren Kundinnen ergänzen, dass viele der Ansicht sind, mit den Typen nicht die Zeit verbringen zu wollen und ständig erklären zu müssen, dass man kompetent ist.

Es stellte sich die Frage, warum in anderen Ländern der Frauenanteil in Führungspositionen größer ist als in Deutschland. Carmen Kremer, Vorsitzende der LAG Frauenpolitik, konnte ergänzen, dass Frauen sogar in frauentypischen Berufen in der Führungsebene unterrepräsentiert sind. Frauen würden sich meist für einen Beruf entscheiden, in den sie immer wieder einsteigen können. Deshalb seien wenige Frauen in technischen Berufen zu finden.

Um u.a. den Automatismus zu durchbrechen, dass Personen meist nur diejenigen befördern, die ihnen ähnlich sind, wäre die Quote eine gute Möglichkeit, Frauen in die Führungsebene zu bringen. „Frauen gibt es hierfür genug, man muss es nur wollen“, erklärte Alina. Die Einführung der Frauenquote würde nach sich ziehen, dass es neue Überlegungen beispielsweise zu Kinderbetreuung und Job-Sharing gebe.

Es sei auch die Unternehmenskultur, die viele Frauen abschrecke, meinte Stefanie Seemann, Landtagsabgeordnete der Grünen. Auch dies würde sich bei einer Quote ändern. Mehr Frauen in den Führungsebenen könnten junge Mädchen animieren, sich höhere Ziele zu stecken.

Vera Naumann betonte: „Wir werden eine Gleichstellung nur hinbekommen, wenn auch Männer für uns kämpfen.“

Darüber hinaus stellte sich die Frage, ob Frauen in der Politik oder den Unternehmen eine gute Unterstützung bekämen. Hätte beispielsweise der Bundestags-Wahlkampf von Annalena besser gestützt werden müssen?

Stefanie Seemann berichtete aus der Landtagsfraktion, dass die Bekämpfung sexualisierter Gewalt an Hochschulen angegangen werde und dass die Grüne Jugend eine Gleichstellungsstrategie erarbeitet habe, die es nun durchzusetzen gelte.

Anja Reinalter, die ebenfalls zugeschaltet war, meinte: „In Berlin braucht es richtig Druck von unten, von der Partei.“ Die Wahlrechtsreform sollte garantieren, dass alle Positionen paritätisch besetzt sind. Das müsse an jeder Ecke betont werden.

Isabell Michelberger