vom 25.01.2023 – Martin Bösch.
Vorbemerkung:
Sehr geehrter Herr Bürgermeister Dr. Ehm, sehr geehrter Herr erster Beigeordneter Storrer, liebe Kolleginnen und Kollegen des Gemeinderates, sehr geehrte Damen und Herren,
der uns vorliegende Haushaltsplan-Entwurf ist in gewohnter Weise sehr umfangreich und mit sehr viel Mühe zusammengestellt worden. Hierfür danken wir Herrn Bücheler, Herrn Storrer und dem gesamten Team der Finanzverwaltung. Sie haben sich die nötige Zeit zusammen mit Bürgermeister Dr. Ehm genommen, um den Inhalt mit unserer Fraktion zu besprechen und uns unsere Fragen zu beantworten. Außerdem haben Sie unsere Anregungen aufgenommen und wollen diese in ihre Arbeit einfließen lassen. Dafür danken wir ebenfalls.
Einleitung:
Das Jahr 2022 wird als Jahr der multiplen Krisen in die Geschichte eingehen.
- Der Beginn des Angriffskriegs Putins gegen die Ukraine am 24. Februar.
- Die Coronakrise.
- Die Energiekrise im Gefolge des Krieges mit galoppierenden Preisen für Erdgas, Heizöl und Strom.
- Hohe Inflationsraten und hohe Lebensmittelpreise.
Zwei Krisen sind dabei im öffentlichen Interesse zu Unrecht etwas in den Hintergrund geraten, trotz zweier internationaler Konferenzen:
Vom 6.-18. November fand in Ägypten die Weltklimakonferenz statt. UN-Generalsekretär Antonio Guterres warnte eindringlich mit dem Satz: ´ Wir sind auf dem Highway zur Klimahölle – mit dem Fuß auf dem Gaspedal ´.
Vom 7.-19.Dezember fand die Weltnaturkonferenz in Montreal statt. Die Deutsche Bischofskonferenz schreibt dazu: ´Ein verantwortlicher, wertschätzender Umgang mit der Natur ist ethisch dringend geboten ´! Papst Franziskus hat in seiner Botschaft zum Weltgebetstag für die Bewahrung der Schöpfung am 1. September 2022 dazu aufgerufen ´den weiteren Zusammenbruch des Netzes des Lebens ´ aufzuhalten. Neben dem Klimawandel sind die Verluste im Bereich der Biodiversität eine große Herausforderung für die Bewahrung der Schöpfung.
Welche Akzente nun will die Stadt Sigmaringen im neuen Haushaltsjahr 2023 setzen, um den Sigmaringer Bürgerinnen und Bürgern mit ihren Kindern und Enkeln ein gutes Leben zu ermöglichen?
Klimaschutz
Eine wichtige Maßnahme ist die Fertigstellung des neuen Kindergartens in der Au nach dem umweltfreundlichen kfw-40 Standard inklusive Photovoltaikanlage für ca. 2,5 Mio.€ in 2023. Gesamtkosten ca. 5,2 Mio. €.
Für den Teilort Jungnau von großer Bedeutung ist der Weiterbau des durch umweltfreundliche Energie gespeisten Nahwärmenetzes. Hier werden mehrere Ziele gleichzeitig erreicht. Energiegewinnung durch ´ Freiheitsenergien ´ ( Biomasse und Solar ) und der Aufbau eines Breitbandnetzes. Darüber hinaus kommt es auch zur Neuverlegung von Strom- und Wasserleitungen. Die Gesamtinvestition durch die NRS (Nahwärme Raum Sigmaringen ) beträgt ca. 7 Millionen €. Weitere Nahwärmenetze sind im Bereich des SRH-Krankenhauses und der Karlstraße geplant. Überlegungen zu einem Quartierskonzept Riedbaum sind im Gange, die Basis für ein neues, dringend erforderliches städtisches Klimaschutzkonzept bilden können. Darin könnte auch ein Zieljahr für die Klimaneutralität von Sigmaringen genannt werden.
Für den Unterhalt und die Umrüstung der Straßenbeleuchtung sind 105 000 € vorgesehen. Hier hätten wir uns angesichts der Stromkosten auch einen etwas höheren Betrag vorstellen können. Die Umstellung auf sparsame und insektenfreundliche Straßenbeleuchtung ist insbesondere an den Wegen beiderseits der Donau wichtig.
Positiv sehen wir Grünen die geplante Installation von 10 Fotovoltaikanlagen auf öffentlichen Gebäuden mit ca. 350 kWp. Damit können knapp 350 000 kWh Strom erzeugt werden. Ebenfalls positiv sehen wir die Dämmmaßnahmen am Sigmaringer Rathaus, am Rathaus in Unterschmeien und beim Bürgerhaus in Gutenstein.
Wir begrüßen die Einstellung eines Energiemanagers für die operative Arbeit im Bereich Energieverbrauch der Stadt, wobei die Personalkosten durch ein Bundesprogramm erfreulich deutlich reduziert werden.
Kritisch sehen wir die Zurückstufung des strategischen Klimaschutzmanagements auf eine halbe Personalstelle. Wir hoffen, dass hierdurch die Gold-Rezertifizierung des European- Energy-Awards in 2024 nicht gefährdet wird.
Mobilitätskonzept
Sigmaringen gibt Millionenbeträge für den Bau ( Neubaugebiete ) und den Unterhalt von Straßen aus. Ziel eines Mobilitätskonzeptes, das für das erste Halbjahr 2023 versprochen wurde, muss unter anderem sein, Autofahren in den ( so genannten ) verkehrsberuhigten Zonen in der Innenstadt weniger attraktiv und den umweltfreundlichen Fuß-, Bus- und Radverkehr insgesamt attraktiver zu gestalten.
Wir bedauern, dass die Monatsfahrkarte des Stadtbus ( 43.60 € ) teurer ist als die Monatsmiete ( 35 € ) von Parkplätzen im Parkhaus und dass die Tagesfahrkarte Stadtbus 3,20 € beträgt, während sich die maximale Tagesgebühr für die Parkplätze auf 2 € beläuft.
Wir freuen uns, dass es mittlerweile Ansätze und Pläne für die Barrierefreiheit des Bahnhofes gibt. Darüber hinaus könnte der Bahnhof zu einem Mobilitätszentrum entwickelt werden.
Innovationscampus
Der Innovationscampus und die Hochschule Albstadt-Sigmaringen sind ein Alleinstellungsmerkmal der Stadt im Landkreis. Wir begrüßen, dass die neue Namensgebung aussagekräftiger ist als die alte. Aus Innovations- und Technologie-Zentrum wurde Startup-Zentrum und aus der Modellfabrik wurde eine Forschungsfabrik. Die Einrichtungen erfreuen sich eines regen Zuspruchs. Wir fragen uns allerdings, weshalb im vergangenen Jahr der große Parkplatz mit ca. 200 Stellplätzen ohne Solarüberdachung gebaut wurde, denn es waren den ganzen Herbst über kaum mehr als 20 Autos auf dem Areal gleichzeitig zu sehen.
Wohnraum
Die Titelseite des Haushaltsplans 2023 zieren 5 Baugebiete: 4 nach § 13b und eines nach § 13a Bundesbaugesetzbuch. Selbstverständlich benötigen wir mehr Wohnraum, vor allem benötigen wir sozialen Wohnungsbau sowie angepasste und barrierefreie Wohneinheiten für die Bevölkerung ab 70, die oft allein oder zu zweit in Einfamilienhäusern lebt. Der Aufwand für Haus und Garten wird häufig als groß empfunden. In diese Einfamilienhäuser könnten eventuell junge Familien einziehen, ohne neue Flächen zu verbrauchen. Dafür benötigen wir aber eine Koordinierungs- und Vermittlungsstelle. Auch neuere Wohnformen, wie Mehrgenerationenhäuser, Wohngenossenschaften und verdichtetes Bauen müssen in Sigmaringen möglich sein. Außerdem kann eine Erhebung der Leerstände in der Stadt die Nutzung bereits vorhandenen Wohnraums erleichtern.
Was wir nicht brauchen, ist der § 13b. Neue Wohngebiete, die ohne Umweltverträglichkeitsprüfung und vor allem ohne Umweltausgleich auskommen, sind nicht zukunftsfähig. Hier sollte ein Umdenken stattfinden. Wir müssen zukünftig mit deutlich weniger Flächenverbrauch auskommen.
Biodiversität, Arten- und Biotopschutz
Wir Grüne bedauern, dass bei Diskussionen über neue Bau- und Gewerbegebiete immer wieder abwertende Bemerkungen über europäisch besonders geschützte Arten gemacht werden: Zauneidechse, Gelbbauchunke, Fledermäuse ( in Sigmaringen aber eine wichtige Fastnachtsfigur ). Artenvielfalt wird oft als Bremser und Verhinderer wirtschaftlicher Pläne gesehen, z.B. im Bereich der Konversionsflächen. Mit ungebremster Expansion werden wir aber den heutigen Anforderungen des Netzwerks des Lebens nicht gerecht. Bei gutem Willen können konkurrierende Ziele – Sicherung von Wohnraum und Arbeitsplätzen bzw. der Erhalt der Biodiversität – in Einklang gebracht werden.
Es gibt ja auch schon gute Beispiele in unserer Gemeinde: Die Flächen ´ Natur nah dran ´auf Initiative des NABU im Bereich zwischen Laizer Straße und Donausteg zum Bootshaus hin, die Flächen ´ blühender Naturpark ´ an der Bilharzschule und beim Tennisplatz in Gutenstein, der Beschluss des Ortschaftsrates Jungnau, Ränder von Feldwegen erst ab September zu mähen, zeigen, was möglich ist. Bad Saulgau kann mit Biodiversität bundesweit punkten. Hier hat Sigmaringen Nachholbedarf und große Potentiale, zumal die natürlichen Voraussetzungen für Artenvielfalt auf unserer Gemarkung mit den Flüssen Donau, Schmeie und Lauchert und den Magerstandorten der Alb und des Donautals viel besser sind als in Bad Saulgau.
Bereits am 29. September 2021 bat Bündnis90/ Die Grünen die Verwaltung darum zu prüfen, ob die Untere Naturschutzbehörde eingeladen werden könne, um die nun gesetzlich erforderlichen Maßnahmen zum Biotopverbund auf Sigmaringer Gemarkung im Gemeinderat zu erläutern. Wir wünschen uns, dass eine entsprechende Darstellung durch das Landratsamt in der ersten Jahreshälfte 2023 erfolgt.
Weitere Investitionen
Große Investitionen erfordert auch die Sicherung der Einsatzbereitschaft der Feuerwehr Sigmaringen. Gemäß dem Feuerwehrbedarfsplan stellt die Stadt im Frühjahr einen hauptamtlichen Feuerwehrkommandanten ein und gibt bis 2026 den Betrag von 4,88 Mio. € für Fahrzeuge und die Erweiterung der Garagen aus. Die Landesförderung in Höhe von 1,35 Mio. € fällt in diesem wichtigen Bereich eher bescheiden aus.
Die 6 Schulen in städtischer Trägerschaft brauchen weiterhin erhebliche Geldmittel für die bauliche und energetische Modernisierung sowie für die pädagogisch-technische Ausstattung. Hierbei sind insbesondere die Gesamtsanierung der Bilharzschule und die Sporthallen des Hohenzollern-Gymnasiums und der Geschwister-Scholl-Schule zu nennen.
Erhebliche Investitionen würde auch die Sanierung des Lehrschwimmbeckens der Geschwister-Scholl-Schule erfordern. Für 2023 ist bei den Stadtwerken eine Planungsrate von 10000 € eingestellt. Aber für die Jahre 2024-2026 sind bisher aufgrund der unklaren Zuschusslage leider keine Investitionsmittel eingesetzt. Für uns schwer verständlich.
Verschiedenes
Wir freuen uns, dass 2022 die Partnerschaft mit der Stadt Thann im Elsass besiegelt werden konnte. Den europäischen Gedanken haben auch die Ausstellungen zum 400-jährigen Todestag des Heiligen Fidelis in Feldkirch und Sigmaringen gestärkt.
Das neu errichtete Donauhäusle beim Bootshaus freut sich auf rege Nutzung. Der Standort eignet sich auch hervorragend für Veranstaltungen im Bereich der Umweltbildung.
In unserer Stadt und auch in diesem Gremium regt sich erheblicher Widerstand gegen die seit einigen Jahren existierende LEA. Dies ist einerseits verständlich, greift allerdings zu kurz. Denn die Lösung kann nicht die Auflösung solcher Einrichtungen sein. Unser Wirtschaftssystem ist in nicht unerheblichem Maße dafür verantwortlich, dass Menschen aus ihrer Heimat fliehen. Die Lebensbedingungen sind in vielen Ländern durch Kriege und Armut so schlecht, dass die Menschen sich auf den Weg in den goldenen Westen Europas machen. Ein Baustein für die Lösung dieser Problematik ist Fairtrade. Selbstverständlich kann ein einzelner Mensch, eine Familie oder eine Stadt nicht das Dilemma lösen. Machen sich allerdings viele auf den Weg, wird auch viel bewegt. Daher fordern wir bei diesem Thema mehr Engagement. Wir dürfen uns nicht auf dem Titel Fair-Trade-Stadt ausruhen, sondern müssen dranbleiben. Das gilt für die Verwaltung, den Gemeinderat, die Gewerbetreibenden und auch die Presse.
Unsere Fraktion bedankt sich sowohl bei der Verwaltung als auch bei den Kolleginnen und Kollegen des Gemeinderats für die gute Zusammenarbeit.
Die Fraktion Bündnis 90/ Die Grünen stimmt dem Haushalt zu.