Statement der Stadtratsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen: Prüfung des Bundeswehrstandortes und LEA Sigmaringen

Die Diskussion um die Zukunft der Bundeswehr sowie der Landeserstaufnahmeeinrichtung (LEA) in Sigmaringen hat durch die jüngsten öffentlichen Äußerungen unseres Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann eine neue Dynamik erhalten.

Wir stehen hinter der gemeinsamen strategischen Haltung von Ministerpräsident Winfried Kretschmann und Spitzenkandidat Cem Özdemir, dass wir unsere Bundeswehr zukunftsfest aufstellen müssen, damit es gar nicht erst zum Verteidigungsfall kommt, und wir sehen die offene Prüfung des Standorts Sigmaringen als notwendigen Beitrag zu dieser gesamtstaatlichen Sicherheitsvorsorge.

Offenheit für die Prüfung aus strategischer Notwendigkeit

Wir, als Stadtratsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen, stehen der Prüfung der Kaserne durch den Bund offen gegenüber. Die verschlechterte weltpolitische Sicherheitslage erfordert eine Stärkung unserer Verteidigungsfähigkeit. Auch wenn unser grüner Ministerpräsident die Prüfung des Bundeswehrstandortes durch den Bund unterstützen kann und wird, liegt die Entscheidung über die militärische Nutzung allein beim Bund und wird das Ergebnis einer fundierten, unabhängigen Bewertung sein.

Sollte der Bund bei seiner Prüfung feststellen, dass der Standort Sigmaringen für die militärische Nutzung zwingend erforderlich ist, muss die Politik auf allen Ebenen diese strategische Notwendigkeit anerkennen und unterstützen. Ein Vergleich der militärischen Eignung und der Kosten für eine Sanierung muss dabei transparent erfolgen.

Die LEA Sigmaringen ist ein Standort mit Vorbildcharakter

Gleichzeitig warnen wir eindringlich davor, die LEA und die Bundeswehr gegeneinander auszuspielen. Der politische Antrieb für einen Bundeswehrstandort sollte nicht daraus resultieren, gegen die LEA zu sein, sondern ein klares Bekenntnis für die Priorität der Verteidigungspolitik.

Die Betreuung von Geflüchteten ist eine humanitäre und gesetzliche Aufgabe, die ebenfalls unsere volle Unterstützung verdient. Die LEA Sigmaringen ist ein wichtiger Pfeiler im baden-württembergischen Erstaufnahmesystem. Sie gilt aufgrund ihrer direkt angesiedelten Polizeiwache, dem Zugang zur medizinischen Grundversorgung und qualifizierter Sozial- und Verfahrensberatung sowie einer Ehrenamtskoordination und Straßensozialarbeit als Standort mit Vorbildcharakter.

Zudem wird unsere Stadt durch sogenannte Schlüsselzuweisungen, die wir vom Land pro Kopf erhalten und die nicht zweckgebunden sind, entlastet. Konkret heißt das, für das Jahr 2024 erhielt die Stadt pro Bewohner einen Durchschnittsbetrag von 1.930,72 Euro. Auch die Bewohner der LEA zählen zu den Schlüsselzuweisungen. Sprich 400 Bewohner weniger im Jahr bedeuten ca. 800.000 Euro weniger in der Stadtkasse.

Auch die Aufnahmeverpflichtung des Landkreises wird durch den Betrieb der LEA in Sigmaringen reduziert. Das bedeutet konkret, dass die Gemeinden im Landkreis Sigmaringen (zum Bsp. Gammertingen, Mengen, Bad Saulgau, Meßkirch) aktuell aufgrund des sogenannten LEA-Privilegs, insgesamt weniger Geflüchtete in sogenannten vorläufigen Unterbringungen (zum Bsp. Gemeinschaftsunterkünfte) aufnehmen müssen. Das wirkt sich auch auf die Zahlen der weiteren Anschlussunterbringung in den Kommunen aus.

Es ist eine Illusion zu glauben, dass mit einer möglichen Schließung der LEA die Herausforderung der Unterbringung von Geflüchteten für den Landkreis Sigmaringen beendet wäre, da die Verpflichtung zur vorläufigen Unterbringung und zur Anschlussunterbringung nach dem Landesrecht weiterhin für uns alle Bestand hat.

Des Weiteren weisen wir darauf hin, dass die LEA sowohl direkte als auch indirekte Arbeitsplätze schafft und Einnahmen für die lokale Wirtschaft generiert. In der Sigmaringer LEA arbeiten aktuell mehr als 200 Personen.

Sigmaringen braucht Klarheit und Planungssicherheit

Wir befürworten eine Prüfung der militärischen Notwendigkeit der Kaserne Sigmaringen, weil die Verteidigungsfähigkeit Deutschlands im globalen Krisenzustand absolute Priorität haben muss. Diese Prüfung darf jedoch nicht als Vorwand dienen, eine gut funktionierende, lokal und landesweit wichtige LEA ohne Notwendigkeit aufzugeben.

Sigmaringen braucht Klarheit und Planungssicherheit. Wir fordern den Bund und das Land auf, die Prüfung zügig, transparent und ergebnisoffen durchzuführen und die humanitäre Verantwortung für Geflüchtete sowie die strategische Verantwortung für die Verteidigung gemeinsam und nicht gegeneinander zu betrachten. Wir stehen für eine resiliente und offene Gesellschaft.

Xenia Rebsam, Ursula Voelkel, Gerhard Stumpp, Gerald Eisen & Hanna Stauß
Stadtratsfraktion Sigmaringen Bündnis 90/Die Grünen

Die Stadtratsfraktion von B90/Die Grünen Sigmaringen. Hier beim Bürgerempfang zur Verleihung der Bürgermedaille in Gold des Landkreis Sigmaringen an Ministerpräsident Kretschmann.
Von links:
Gerhard Stumpp, Andrea Bogner-Unden MdL a.D., Ursula Voelkel, Winfried Kretschmann, Hanna Stauß, Xenia Rebsam, Gerald Eisen.