Stadtrat Sigmaringen: Gerhard Stumpp spricht zur B 311

Sitzung Gemeinderat Sigmaringen am 30.9.2020

Top 7: B311n/B313Mengen-Meßkirch

Beschlussvorschlag der Verwaltung: Stadt beteiligt sich von 2021 -2030 jährlich an den Kosten der Planung mit 30 000€ ( gesamt 300 000€ ).

Einschätzung von Bündnis90/Die Grünen

Der Vorschlag der Stadtverwaltung stellt eine Freiwilligkeitsleistung dar. Allgemein gilt, Freiwilligkeitsleistungen auf ihre Notwendigkeit hin genau zu prüfen.

Einer solchen Prüfung möchten wir dieses Vorhaben unterziehen.

  1.  Das Regierungspräsidium Tübingen teilte als Untersuchungsergebnis des damaligen Raumordnungsverfahrens Verlegung B311/B313/B32 zwischen Mengen und Meßkirch im Juli 1996 mit:
    ´ Die bisher vorliegenden Untersuchungsergebnisse weisen die Nordtrasse mit Überlagerung der B313 im Bereich Laiz-Meßkirch ( also ohne Waldtrasse ) als insgesamt günstigste Lösung aus ´.

    ´Mit dieser Trasse wird sowohl das Ablachtal als auch das Donautal wirkungsvoll vom Verkehr entlastet´ .

    Laut Darstellung des Gesamtprojekts im Internet wurde diese Trassenführung am 30.7.2013 festgelegt.

    Im Umweltbeitrag Teil 1 wird erläutert, dass 946 Einwohner durch die Maßnahme  neu belastet oder stärker betroffen und 1301 Einwohner entlastet werden. Nach meiner Einschätzung betrifft die Mehrbelastung hauptsächlich die Bewohner von Laiz und Inzigkofen.

    In einer Broschüre der PTV-Group Karlsruhe ( Planung, Transport, Verkehr AG) , die auch vom Landratsamt Sigmaringen unterstützt wurde, steht als erste Kernaussage, dass die B311 eine Autobahnfunktion mit hoher Netzbedeutung für den Fernverkehr übernehmen und eine Redundanz für die A8 bzw. A5 zwischen Ulm und Basel darstellen soll.

    Befürworter des Vorhabens betonen, dass im bisherigen Planungskonzept Änderungen ausdrücklich als möglich dargestellt werden. Das trifft zu. Aber woher nehmen diese Befürworter die Zuversicht, dass eine vielfach geprüfte Trassenentscheidung sich noch ändert und nicht die bisher geplante Trassenführung zum Zuge kommt, die dem Teilort Laiz und der Gemeinde Inzigkofen eine deutlich höhere Verkehrsbelastung bringen würde?

  2. Befürworter des Vorhabens gehen von einer wirtschaftlichen Förderung der Region durch eine leistungsfähige West-Ost-Verbindung im Süden von Baden-Württemberg durch zusätzlichen Straßenbau aus. Leistungsfähige Straßenverbindungen sind aber nur einer von mehreren Faktoren für Prosperität und Wohlstand der Bevölkerung in einer Region. So hat die Stadt Pfullendorf ein deutlich höheres Gewerbesteuer-aufkommen als die Stadt Sigmaringen, obwohl nach Pfullendorf nicht einmal eine Bundesstraße führt. Die bisherigen Bundesstraßen von Sigmaringen haben für eine akzeptable Anbindung gesorgt.

    Wichtig für die Prosperität in einer Region sind aber auch gute Bildungseinrichtungen, gut qualifizierte Mitarbeiter*innen, ein gutes Arbeitsplatzangebot und eine gute Lebensqualität in der Region.

    Für die Zukunft von Sigmaringen sind der Innovationscampus und die Hochschule Albstadt-Sigmaringen, die Entwicklung des interkommunalen Gewerbegebiets Graf Stauffenberg und ein modernes und ausreichendes Angebot von Einrichtungen der vorschulischen und schulischen Bildung als Aufgabe entscheidend. Hier gilt es zu investieren.

  3.  Befürworter des Projekts sagen, dass es Wunschdenken sei, von einer künftigen Abnahme des Straßenverkehrs auszugehen.

    Wir bitten aber darum, zu bedenken, dass der Anstieg des Straßenverkehrs kein Naturgesetz ist, sondern sehr stark von den politisch/wirtschaftlichen Rahmen-bedingungen abhängt. Und aktuell wird insbesondere der Lastwagenverkehr auf den Straßen deutlich subventioniert. Laut einer Studie des Schweizer Beratungsunternehmens Infras von 2019 verursacht ein LKW 4,46 Cent pro Tonnenkilometer an ungedeckten/externen Folgekosten ( z.B. Lärm, Natur- und Landschaftsschäden, Klimafolgen ). Der Berliner Bundesregierung stünde es frei, durch eine deutliche Anhebung des CO2-Preises, durch Anhebung der LKW-Maut und durch Einforderung des Mindestlohns für osteuropäische Lastwagenfahrer die Zahl der LKW-Fahrten einzuschränken und damit Anwohner zu entlasten. Im Ablachtal bietet sich als Alternative an, eine vorhandene, noch reaktivierbare und umweltfreundliche  Infrastruktur wiederherzustellen, um Güterverkehr auch über die Bahn abzuwickeln. Hierfür setzen wir uns ein. Den Bau einer neuen, großen, sowie klima- und umweltunfreundlichen Infrastruktur lehnen wir ab, denn neue Verkehrsangebote ziehen neue Verkehrsnachfrage auf sich.

    Wir unterstützen allerdings Landrätin Bürkle in ihrem Bemühen, durch einen eigenen Landkreisbeitrag die Elektrifizierung der Zollernbahn Sigmaringen-Tübingen  voranzubringen.

  4. Befürworter des Straßenbauvorhabens machen geltend, man solle nicht immer wieder von vorne mit der Diskussion zur B311/B313n beginnen.

    Wir bitten aber zu bedenken, dass 2 aktuelle Krisen das Risiko einer eigenfinanzierten Straßenplanung und damit eines weitgehenden Verlustes der Planungsgelder deutlich erhöhen. Die enorme Staatsverschuldung zur Abwendung der schlimmsten Folgen der Coronakrise wird die Haushalte künftiger Jahre stark belasten und die Umsetzung von Straßenbauvorhaben behindern. Die sich immer schärfer abzeichnende Klimakrise wird Investitionen erschweren, die nicht dem Klimaschutz dienen. Und Verkehrsökonomen ( Gilles Duranton, Matthew Turner ) bestätigen, dass wer Straßen sät, Verkehr erntet. Große neue Straßen und damit mehr Verkehr sind der Verkehrswende ( Förderung umweltfreundlicher Mobilität ) und dem Klimaschutz abträglich.

  5. Die Planungszeit wird momentan auf knapp 10 Jahre beziffert. Von den ca. 15 Millionen Planungskosten sollen 2.1 Millionen von den Anrainerkommunen und ca. 8 Millionen Euro vom Landkreis finanziert werden. Das ist sehr viel Geld für eine Freiwilligkeitsleistung, die auf der Hoffnung beruht, ein paar Jahre früher umfangreiche Planungen fertigstellen zu können.
  • Zusammenfassung:
  • Die Maßnahme widerspricht den Zielen der Verkehrswende und der Bekämpfung der Klimakrise.
  • Es gibt Alternativen zu der Maßnahme, die teilweise auch kurzfristig realisiert werden können: Höhere Bepreisung Lastwagenverkehr. Reaktivierung der Ablachtalbahn.
  • Die Maßnahme beinhaltet das nicht unerhebliche Risiko, dass die Planungsgelder verlorengehen.
  • Der Teilort Laiz wird möglicherweise deutlich stärker durch Verkehr belastet als bisher.
  • Die Maßnahme ist aus Sicht der Grünen eine extrem teure Freiwilligkeitsleistung.

Freiwilligkeitsleistungen sollte man sich leisten können !

In dem Abwägungsprozess von Für und Wider kommt die Fraktion Bündnis90/ Die Grünen zu dem Ergebnis, die Beteiligung der Stadt Sigmaringen an der Planung der B311n/313 abzulehnen. Diese Planungen sind Aufgabe von Bund und Land.

Gerhard Stumpp