B90/Die Grünen, Kreistagsfraktion – Stellungnahme zum medizinischen Konzept des Krankenhauses mit den drei Standorten Sigmaringen, Bad Saulgau und Pfullendorf:
Die Befürchtung der Bad Saulgauer Bevölkerung im Sommer letzten Jahres, dass die vorübergehende Schließung der Geburtshilfe nur der „Anfang vom Ende“ sei, hat sich inzwischen leider bewahrheitet.
Parallel zur Schließung der Geburtenstation lief bereits das von den SRH Kliniken Landkreis Sigmaringen in Auftrag gegebene Gutachten der Firma Curacon zur Zukunft unseres Krankenhausmodells „ein Plankrankenhaus an drei Standorten“.
Dieses Gutachten kam zwei Monate später zu dem Ergebnis, dass eine realistische, medizinisch, personell und finanziell sinnvolle Zukunft nur in der Konzentration auf den Standort Sigmaringen besteht. Das vom Kreistag mit unserer Zustimmung in Auftrag gegebene Zweitgutachten der Firma WMC kam leider inzwischen zu keinen wesentlich anderen und für uns und die Städte Bad Saulgau und Pfullendorf erfreulicheren Ergebnissen.
In den vergangenen Jahren haben die beiden kleineren Häuser regelmäßig ein finanziell negatives Jahresergebnis erwirtschaftet. Dies war bereits der Fall, als die Kliniken noch in Eigenregie des Landkreises und des Spitalfonds Pfullendorf betrieben wurden. In der Zusammenarbeit mit Sigmaringen konnte bis vor drei Jahren in der Summe noch ein positives Ergebnis erzielt werden. Mit der flächendeckenden stationären Versorgung an drei Standorten konnten zudem 76% der stationären Krankenhausfälle im Landkreis selbst versorgt werden. Die kleineren Häuser haben so in der Funktion als Portalkliniken ihren Beitrag zum guten Gesamtergebnis in Sigmaringen beigetragen.
Leider ist unser Modell „ein Plankrankenhaus an drei Standorten“ inzwischen auf Grund bundespolitischer Rahmenbedingungen nicht mehr zukunftsfähig. Die Krankenhausfinanzierung über die Fallpauschalen läuft unserem Modell zuwider. Zwar wird im Koalitionsvertrag der neuen Bundesregierung eine stärkere Ausrichtung der Krankenhausfinanzierung nach ihrem gesellschaftlichen Auftrag angekündigt, es ist jedoch derzeit nicht absehbar, wann diese tief greifenden Strukturreformen tatsächlich umgesetzt werden.
Zudem ist die stationäre Krankenhausversorgung starken medizinischen sowie gesellschaftlichen Veränderungen ausgesetzt: Fachkräftemangel auf allen Ebenen, zunehmende Ambulantisierung und Spezialisierung, Mobilität und weitere Faktoren.
Zudem erfordert die Zertifizierung von Krankenhausleistungen die Konzentration von Behandlungen an einem Standort, um auf dem Hintergrund entsprechender Fallzahlen eine bestimmte Qualität sicherzustellen.
Beide Gutachten kommen zu dem Ergebnis, dass wir all unsere Kräfte auf einen Krankenhausstandort konzentrieren müssen, wenn wir in unserem Landkreis überhaupt auf Dauer erfolgreich ein Krankenhaus betreiben wollen. Der Bedarf dafür ist vorhanden und kann in Sigmaringen abgedeckt werden. Dass ein solches Krankenhaus Zukunft hat, ist unstrittig. Die bereits begonnenen und notwendigen Zukunftsinvestitionen am SRH Krankenhaus Sigmaringen sind aber nur dann möglich, wenn die dafür zur Verfügung stehenden Mittel nicht für die Deckung von hohen Verlusten aus dem laufenden Betrieb an drei Standorten aufgezehrt werden.
Wir verstehen die Enttäuschung der Bürgerinnen und Bürger der beiden Städte Bad Saulgau und Pfullendorf über die aktuellen Entwicklungen. Dennoch bitten wir um Verständnis dafür, dass ein in der geographischen Mitte des Landkreises gelegenes, modernes Krankenhaus mit einer Qualität, die über die Regelversorgung hinausgeht, auch jenen Einwohnerinnen und Einwohnern des Landkreises zu Gute kommt, die schon längst weitere Wege in eine Klinik in Kauf nehmen müssen.
Wir fordern alle an der Diskussion Beteiligten auf, zwischen den Themen zukünftiger Klinikstandort und grundsätzliche medizinische Versorgung im Landkreis zu unterscheiden. Wenn in Bad Saulgau die Menschen keinen Hausarzt mehr finden, hat das nichts mit dem Krankenhausstandort zu tun. In allen Regionen unseres Landkreises sind ernsthafte Anstrengungen zu unternehmen, Konzepte und Einrichtungen einer modernen, wohnortnahen und sektorenübergreifenden medizinischen Versorgung zu installieren. Dafür sind alle am Prozess Beteiligten in der Pflicht!
Das Zweitgutachten von WMC hat einige Vorschläge zur grundsätzlichen medizinischen Versorgung bei uns im Landkreis und speziell in Bad Saulgau und Pfullendorf aufgezeigt. Jetzt gilt es, die passenden Konzepte für den jeweiligen Standort gemeinsam zu entwickeln. In intensiven Gesprächen mit den anderen Fraktionen haben wir erreicht, dass im Kreishaushalt 2022 eine Million Euro eingestellt wurde, um die Gemeinden bei der Umsetzung konkreter Maßnahmen finanziell zu unterstützen.
Wir unterstützen die Errichtung bzw. Vergrößerung von medizinischen Versorgungszentren in Pfullendorf und Bad Saulgau und alle weiteren Maßnahmen zur Nachnutzung der beiden bisherigen Krankenhäuser.
Wir fordern die Verantwortlichen des Landkreises auf, sich zusammen mit der SRH Kliniken Landkreis Sigmaringen GmbH aktiv an der Errichtung von „Primärversorgungszentren“ an den Standorten Bad Saulgau und Pfullendorf zu beteiligen, wie sie von der Landesregierung Baden Württemberg konzeptionell entwickelt und finanziell gefördert werden. Wir drängen auf weitere Anstrengungen des Landkreises über die Gesundheitskonferenz zur Verbesserung der ambulanten medizinischen Versorgung in allen Regionen des Landkreises.
Für die Zukunft der Gesundheitsversorgung im Landkreis Sigmaringen müssen wir uns zwei Herausforderungen stellen: der Stärkung und Konzentration unserer Kreisklinik in Sigmaringen und einer wohnortnahen, multiprofessionellen, sektorenübergreifenden und integrierten ambulanten sowie kurzstationären medizinischen Versorgung.
Somit werden wir schweren Herzens der Schließung der beiden Krankenhäuser in Bad Saulgau und Pfullendorf zustimmen.