Um der Frage nachzugehen, wie Frauen und Familien wieder gut aus der Pandemie herausgeführt werden können, lud die Landtagsabgeordnete von Bündnis 90/Die Grünen, Andrea Bogner-Unden, im Rahmen ihrer Reihe „Andrea Bogner-Unden hört zu…“ die Vorsitzende des Landesfrauenrats Prof. Dr. Anja Reinalter zu einem Webinar ein. Meist sind es die Frauen, welche die Mehrbelastung in den Familien durch Corona sowie durch die Corona-Maßnahmen auffangen müssen. Die Gesprächsrunde tauschte sich über Hilfen für Kinder und Jugendliche, über das Sichtbarmachen der Lebenssituation von Frauen, ihre Mitgestalten in der Politik sowie über das Schulsystem aus, das die Mitdiskutierenden als vollkommen veraltet betrachteten.
„Um Beruf und Familie unter einen Hut zu bekommen, müssen Frauen oft einen Riesenspagat machen“, weiß Andrea Bogner-Unden, die selbst Mutter von vier erwachsenen Söhnen ist und 35 Jahre als Lehrerin arbeitete. Dass Alleinerziehende dabei eine besonders große Aufgabe zu bewältigen haben, waren sich alle einig. Besonders arbeitslose Frauen oder solche mit geringem Verdienst, die mit ihren Kindern in beengten Wohnverhältnissen leben, seien in einer verzweifelten Lage, erläuterten die Fachfrauen des Frauenbegegnungszentrums Sigmaringen. „Die Alleinerziehenden sind 24 Stunden allein mit ihren Kindern“, beschrieben sie die schwierige Alltagssituation ihrer Klientinnen. Dabei komme es selbstverständlicherweise zu Spannungen. Da die Auswirkungen der Pandemie nicht mit dem Virus verschwinden, verwies die Landtagsabgeordnete auf die Notwendigkeit, den Weg aus der Pandemie zu gestalten, damit die Familien keine weiteren größeren Schäden erleiden.
Um die Situation der Frauen in der Politik entsprechend zu berücksichtigen, brauche es gut gemischte Gremien, erläuterte Anja Reinalter. Sie selbst sei viele Jahre als Kommunalpolitikerin aktiv gewesen und bemängelte den geringen Frauenanteil in der Politik. Im Landesfrauenrat (LFR) seien über 52 Mitgliedsverbände rund zwei Millionen Frauen eingebunden. Er sei 1969 gegründet worden, da sich zu jener Zeit nur eine Frau im Landtag befunden habe und man diese Situation ändern wollte. Seither befasse sich der LFR unter anderem mit Frauenarmut, Kinderarmut (die eng mit der prekären Situation von Alleinerziehenden zusammenhänge), dem Ausstieg aus der Prostitution und mit der Frauengesundheit. „Es ist uns wichtig Strukturen aufzubrechen, die dafür verantwortlich sind, dass Frauen Schwierigkeiten haben, aus denen sie ihr ganzes Leben nicht herauskommen“, beschreibt die Vorsitzende des LFR. „Und ich bin mir sicher, wir hätten keine Frauenarmut, wenn mehr Frauen in der Politik der vergangenen Jahrzehnte mitgemischt hätten“, zeigte sich Anja Reinalter überzeugt. Sie hält es für blamabel, dass Baden-Württemberg mit einem Frauenanteil von 26,7 Prozent zum Schlusslicht in Deutschland gehöre.
„Ich bin eine Verfechterin der Ganztagesschule“, erklärte Andrea Bogner-Unden. Diese würde die Frauen stark entlasten, da sie zu Hause nicht als Lehrerinnen fungieren müssten. Zugleich bedeute die Ganztagsschule für Kinder mehr Chancengleichheit, da das Lernen unabhängig vom Bildungsgrad der Eltern betreut werde. Darüber hinaus habe sich gezeigt, dass Schülerinnen und Schüler aus Gemeinschaftsschulen besser mit dem selbstständigen Lernen zurechtkämen als andere. Das Agieren des Kultusministeriums erlebe sie als planlos, weshalb die Landtagsabgeordnete ein Schulkonzept entwarf, das sich an ein norwegisches Modell anlehnt. Doch damit sei sie bei der Kultusministerin auf taube Ohren gestoßen. „Es braucht jedoch andere Lernformen“, unterstrich Andrea Bogner-Unden. Dem stimmte auch Antje Henkel, Gesamtelternbeiratsvorsitzende der Bad Saulgauer Schulen, zu. „Die Jugend leidet psychisch unter dieser Situation und auch an der unsicheren Zukunftsperspektive“, erklärt sie. „Kinder, die nicht in die Notbetreuung dürfen, tauchen zu Hause im Internet ab“, beschrieb auch Antje Reinalter die besorgniserregende Situation und plädierte wie die Landtagsabgeordnete dafür, Schule neu zu denken. Beide setzten ihre Hoffnung auf eine grüne Kultusministerin und wünschten sich, dass die Pandemie als Anlass gesehen wird, das Schulsystem neu zu überdenken.
Bis dahin sollten alle ihre Augen offen halten, um Kinder und Jugendliche zu unterstützen, ihnen und ihren Müttern zu helfen, wo immer es gehe. Möglich sei beispielsweise eine Betreuung oder Hilfe bei Hausaufgaben. Andrea Bogner-Unden ermunterte die Zuhörenden, sich mit Fragen, Ideen und Anregungen an sie zu wenden, damit sie diese in den Landtag mit einbringen könne. Im Falle ihrer Wiederwahl setze sie sich unter anderem für eine kontinuierliche Lernbegleitung von Schülerinnen und Schülern ein, die durch den Lockdown abgehängt worden seien.