Aus dem Bundesvorstand.
Kohleausstieg 2030 im Rheinischen Revier
Die Ausgangslage ist eindeutig: Seit März 2022 hat RWE einen endgültigen und letztinstanzlichen Rechtsanspruch zum Kohleabbau im Rheinischen Revier, inklusive dem mittlerweile unbewohnten Lützerath. Das hat das zuständige Oberverwaltungsgericht unwiderruflich festgestellt.
Was wäre also so oder so passiert?
- RWE hätte die Kohle unter Lützerath abbaggern dürfen. Das war gerichtlich abschließend durchgeurteilt und bewilligt.
- Zusätzlich wären aber weitere fünf Dörfer und drei Höfe, die im Gegensatz zu Lützerath noch bewohnt sind, verloren gegangen.
- Rund 500 Menschen hätten zwangsumgesiedelt werden müssen.
- Und nach 16 Jahren energiepolitischen Versagens unionsgeführter Vorgängerregierungen im Bund war klar: Der Kohleausstieg wäre auch im Rheinischen Revier erst 2038 erfolgt.
Kurzum: Lützerath wäre abgebaggert worden, aber man hätte für den Klimaschutz nichts erreicht und keine Dörfer gerettet.
Was wurde stattdessen erreicht?
- Der Kohleausstieg im Rheinischen Revier konnte um ganze acht Jahre auf 2030 vorgezogen werden.
- Rund 280 Millionen Tonnen Braunkohle bleiben damit gesichert im Boden.
- Die fünf weiteren Dörfer und drei Höfe konnten gerettet werden.
- Und das heißt auch: Deren Bewohner*innen konnten vor einer Zwangsumsiedlung bewahrt werden.
Das ist ein großer Erfolg für die Menschen vor Ort – und ein wichtiger Schritt im gemeinsamen Einsatz für den endgültigen Ausstieg aus den fossilen Energien.
Dennoch sind die Bilder aus Lützerath natürlich schmerzhaft, denn wir haben immer gegen die anhaltende Verfeuerung von Braunkohle gekämpft. Für mehr Klimaschutz zu demonstrieren, hat unser größtes Verständnis. Meinungs- und Versammlungsfreiheit, auch das Recht auf gewaltfreien Protest sind grundlegende Elemente einer starken Demokratie. Gleichzeitig muss gelten: Deeskalation ist für alle Beteiligten das Gebot der Stunde.
Wir kennen den Stellenwert, den Lützerath als Symbol in der Klimabewegung hat. Das sollte zugleich nicht den Blick darauf verstellen, was erreicht werden konnte – und worum es im Kern jetzt geht:
dass der Kohleausstieg bis 2030 bundesweit erfolgt, dass wir unsere Klimaziele einhalten, dass wir Deutschland bis spätestens 2045 in die Klimaneutralität führen.
Weitere Fragen:
1. Haben die Grünen entschieden, dass Lützerath abgebaggert werden muss?
Auch ohne die Zugeständnisse, die herausverhandelt werden konnten, hätte RWE die Kohle unter Lützerath abbaggern dürfen. Das war abschließend durchgeurteilt und bewilligt.
2. Stimmt es, dass durch den vorgezogenen Kohleausstieg bis 2030 mehr Kohle verfeuert wird und Mehremissionen entstehen?
Nein. Es ist zwar richtig, dass es bei den Blöcken Neurath D und E kurzfristig durch mehr Kohleverbrennung zu Mehremissionen kommen wird. Energiepolitisch ist das auf die aktuelle Krisensituation und den russischen Angriffskrieg in der Ukraine, aber auch auf erhebliche Probleme mit französischen Atomkraftwerken zurückzuführen. Es geht also darum, die Energieversorgung in Deutschland und Europa sicherzustellen.
Die Mehremissionen sind aber nur temporär. Für alle entstehenden Emissionen wird RWE zudem CO2-Zertifikate abgeben müssen. Diese werden dann entwertet. Dadurch stehen den Kraftwerksbetreibern im Rahmen des Europäischen Emissionshandels bis 2030 entsprechend weniger Zertifikate zur Verfügung. Will heißen: Es wird in der zweiten Hälfte der 2020er-Jahre weniger emittiert.
Insgesamt kommt es also bis 2030 nicht zu mehr Emissionen.
3. Wie viel Kohle wird eingespart?
Der Tagebau Garzweiler wird begrenzt. Die vormals genehmigten Grenzen für den Abbau von Kohle werden durch den vorgezogenen Kohleausstieg von 560 Millionen Tonnen auf rund 280 Millionen Tonnen halbiert. Rund 280 Millionen Tonnen Braunkohle bleiben somit gesichert im Boden, weil die Dörfer darüber nicht mehr abgebaggert werden können. Dafür gibt es mit dem beschlossenen Ausstieg 2030 nun Planungssicherheit.
4. Stützen sich die Grünen etwa auf RWE-Berechnungen, wie von einigen behauptet wird? Wie sind die unterschiedlichen Aussagen aus den Gutachten zu bewerten?
Wir stützen uns nicht auf RWE-Berechnungen. Allerdings ist es nicht verwunderlich, dass hier unterschiedliche Studien zu unterschiedlichen Prognosen kommen: Die Wirtschaftlichkeit von Kohle und insbesondere Braunkohlekraftwerken unterliegt jetzt schon erheblichen Schwankungen. Abhängig davon, von welchen Grundbedingungen eine Studie etwa beim angenommenen Verlauf der Strom- oder CO2-Preise in den nächsten Jahren ausgeht, fällt entsprechend auch die Prognose aus. Konkret ist es durchaus möglich, dass Braunkohlekraftwerke 2030 nicht mehr wirtschaftlich sind. Davon gehen einige Gutachten aus. Es kann aber auch ganz anders kommen. Das hängt von einer Vielzahl von Faktoren ab.
Statt abzuwarten und auf unsichere Szenarien zu hoffen, sorgt die gefundene Verabredung dafür, dass der Kohleausstieg im Rheinischen Revier im Jahr 2030 erfolgt.
5. Wie verhält es sich mit dem 1,5-Grad-Pfad?
Der Energiesektor ist in Deutschland für einen erheblichen Teil der CO2-Emissionen verantwortlich. Jede der rund 280 Millionen Tonnen, die nun unter der Erde bleiben, ist deshalb eine gute Nachricht. Die gesetzliche Regelung, die nun zu einem früheren Kohleausstieg im Rheinischen Revier gefunden werden konnte, ist somit zentral für das Erreichen des Klimaziels im Energiesektor – und somit für den Klimaschutz im Allgemeinen.
Die Auslastung der Braunkohlekraftwerke im Rheinischen Revier hängt indes vor allem vom Gaspreis und davon ab, wie schnell wir Strom aus Erneuerbaren ausbauen. Mit einer Vielzahl von Reformen hat insbesondere das BMWK unter Robert Habeck wichtige Weichen gestellt, um das Ausbautempo spürbar und bundesweit zu beschleunigen. Den Weg gehen wir weiter.
Themenseite für den Kohleausstieg 2030 des Ministeriums für Wirtschaft, Industrie, Klimaschutz und Energie in Nordrhein-Westfalen mit zahlreichen Berichten und weiteren Fragen und Antworten: https://www.wirtschaft.nrw/themen/energie/kohleausstieg-2030
Emily Büning – Politische Geschäftsführerin von B90/Die Grünen, Berlin