Grüne: „Neuer Regionalplan hat keine klima- und generationengerechte Vision“ 

Die Erstellung des neuen Regionalplans kommt in die entscheidende Phase. Nach Angaben des Verbandsdirektors Wilfried Franke gelten die Flächenpotentiale im Gebiet – in dem heute 620.000 Menschen wohnen – als aufgebraucht, sodass ein neuer Regionalplan die alte Version aus dem Jahr 1996 fortschreiben soll.

Vertreter der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen/ödp der neu konstituierten Regionalversammlung nutzten die erste Sitzung im Graf-Zeppelin-Haus in Friedrichshafen, um ihre Bedenken hinsichtlich der Neuauflage öffentlich vorzutragen. Momentan sortiert die Verbandsverwaltung die Einwände, die bis Mitte November an sie herangetragen wurden. Die Stellungnahmen sind bis dato für die Mitglieder der Verbandsversammlung nicht einsehbar: „Der Rücklauf aus der Offenlage ist gewaltig,“ so Franke in seiner Ansprache. Aus der ersten Offenlage erreichten 122 ausführliche Stellungnahmen seitens der Träger öffentlicher Belange die Verbandsverwaltung, darunter auch Anwaltsschreiben. Zusätzlich wandten sich Privatpersonen aus dem Verbandsgebiet mit 3208 Stellungnahmen an den Regionalverband Bodensee-Oberschwaben (RVBO). 1100 Einwände kamen allein im Bereich Rohstoffe. Frankes Vorschlag, diese über 3300 Einwände der Vollversammlung erst in der nächsten Sitzung vor der Sommerpause 2020 vorzulegen, diese dann aber zeitgleich mit einer neuen Beschlussfassung durch die Verbandsverwaltung zu versehen, werten die Grünen als intransparent und verfrüht. Ebenso wie das Ziel des Direktors, den Satzungsbeschluss über die Fortschreibung des Regionalplans bereits Ende 2020 zu verabschieden. Die 30 neuen Mitglieder der Regionalversammlung, darunter die sieben neuen Mitglieder der Bündnis 90/Die Grünen/ödp-Fraktion, hätten damit keine realistische Chance, ihre Belange in die Gestaltung des neuen Regionalplans einzubringen. „Wir haben große Bedenken, ob der komplette Regionalplan binnen zwei Sitzungen im kommenden Jahr abgewogen werden kann,“ mahnt Dr Ulrich Walz von den Grünen. Der Fraktion gehe es darum, bestehende gewerbliche Flächen besser zu nutzen, neu ausgewiesene Wohn- und Gewerbeflächen durch platzsparende Bauweisen effizienter zu gestalten und dadurch dem Flächenfraß Einhalt zu gebieten. Auch in Sachen Rohstoffsicherung fehle die nachhaltige Zukunftsvision. Dem vorliegenden Konzept fehle die Zielsetzung, den Abbau der Rohstoffe insgesamt zu reduzieren und mehr Augenmerk auf das Recycling von Baustoffen zu legen. Gerade in Zeiten der Klimakrise müssten neue Formen der Siedlungsstruktur im Regionalplan artikuliert, die Mobilitätswende sozial gestaltet und das Leben auf dem Lande im Sinne eines ökologischen Gleichgewichts von Mensch und Natur gedacht werden, so die 12 Grünen und die zwei Vertreter der ödp.

Nach Ansicht der Bündnis 90/Die Grünen/ödp-Fraktion spitzt der Regionalplanentwurf die Situation der Flächenkonkurrenz zwischen landwirtschaftlich genutzter Fläche und neu zu versiegelnden Flächen weiter zu. Biodiversität und Artenvielfalt können nicht planerisch platziert werden, sondern ergeben sich durch das ökologische Gesamtgefüge, das durch den neuen Regionalplan noch mehr in Schieflage zu geraten droht, mahnen die Fraktionsmitglieder mit landwirtschaftlichem Hintergrund. Dem jetzigen Entwurf des Regionalplans fehlten Lösungswege, wie in unserer Region auf die angespannte Situation in Zeiten der Klimakrise, der immer angespannteren Ressourcenknappheit, der so dringend benötigten Verkehrswende und dem Bekanntwerden des Verlusts unserer heimischen Biodiversität effektiv und zukunftsgewandt für die Folgegenerationen reagiert werden muss. „Wir teilen die Einschätzung des Landesnaturschutzverbandes, dass der Verbrauch an Flächen und Rohstoffen in der heutigen Zeit nicht linear steigend fortgeschrieben werden darf“, betont Dr. Matthias Klemm von den Grünen. Auch der Forderung des Verkehrsclubs Deutschlands (VCD) nach einer grundlegenden Wende im Verkehrssektor schließen sich Bündnis 90/Die Grünen/ödp an. 

„Dem vorgelegten Konzept fehlt eine Vision, wie die Region Bodensee-Oberschwaben in den nächsten Jahrzehnten eine Struktur aufbauen kann, die auf einer klima- und generationengerechten Grundlage dem Gemeinwohl dient“, so Anna Viktoria Pröbstle, neue grüne Mandatsträgerin aus dem Landkreis Sigmaringen. Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen/ödp forderte die Verbandsverwaltung auf, Arbeitskreise zu den einzelnen Themen des Regionalplans aufzustellen und die Einwände und öffentlichen Belange in das Konzept zur Fortschreibung miteinzubeziehen. Verbandsdirektor Franke trat an mehreren Stellen solchen Einwänden entgegen: „Uns geht es nicht darum, was jemand will oder proklamiert, wir müssen eine Rechtsgrundlage schaffen, die einer gerichtlichen Grundlage standhält“. Der Regionalplan wird an bestimmten Stellen voraussichtlich weitere Einsprüche in einer zweiten Offenlage nach sich ziehen, die womöglich bereits ab Ende Mai 2020 folgen kann.   

Die 14 Mitglieder der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen/ödp des Regionalverbands Oberschwaben vertreten den Bodenseekreis, den Landkreis Ravensburg sowie den Landkreis Sigmaringen. Anna Viktoria Pröbstle aus Scheer und Helmut Bussmann aus Herdwangen-Schönach vertreten Bündnis 90/Die Grünen für den Landkreis Sigmaringen.

Foto: Die grüne Sigmaringer Kreistagsfraktion hat Helmut Bussmann (Herdwangen-Schönach) und Anna Viktoria Pröbstle (Scheer) zu Mitgliedern der Regionalversammlung Bodensee-Oberschwaben berufen. (Bild: Bündnis 90/Die Grünen)