24.02.2019: (KV) Vergangene Woche war auf Einladung des Kreisverbandes von Bündnis 90/ Die Grüne deren Landesvorsitzende Dr. Sandra Detzer im Landkreis zu Besuch. Erika Rimmele-Laux, Susanne Petermann-Mayer, Ina Schultz und Philipp Hierlemann organisierten eine Veranstaltung zum Thema „100 Jahre Frauenwahlrecht“ im Gasthaus Lamm in Mengen. Viele Besucherinnen und Besucher diskutierten sehr kontrovers aber auch differenziert, in welchen gesellschaftlichen Rollenzwängen Frauen auch heute noch stehen.
Als beschämend bezeichnete die Grüne Landesvorsitzende Dr. Sandra Detzer den geringen Frauenanteil in den deutschen Parlamenten. Sie zitierte Elisabeth Selbert, die als Mutter des Grundgesetzes gilt: „Die geringe Beteiligung von Frauen in den Parlamenten ist Verfassungsbruch in Permanenz“. Die grüne Landtagsabgeordnete Andrea Bogner-Unden zeigte in ihrer Rede auf, dass Frauen vor 100 Jahren eine Fiktion gehabt hätten, nämlich politisch mitzuwirken. „Ihr politischer Kampf ist der Boden, auf dem unsere Freiheit wächst und die Erfolge sichtbar werden“, so Bogner-Unden.
Ein Blick auf den Frauenanteil in den kommunalen Gremien im Landkreis Sigmaringen macht den deutlich: „Wir rollen zurück“, so Bogner-Unden. Von 42 Kreisräten*innen sind lediglich fünf Frauen, die damit gerade einmal 11,9 Prozent ausmachen. Und in den kommunalen Parlamenten sieht es nicht besser aus. Spitzenreiter ist Neufra, die den höchsten Frauenanteil (30 Prozent) im Gemeinderat haben. Traurige Schlusslichter sind hingegen Ostrach und Herdwangen-Schönach, die keine Frauen im Gemeinderat haben. Hier sollten sich alle Beteiligten als Wählerinnen und Wähler, aber auch mögliche Kandidat*innen fragen, ob man wirklich auf die gleichberechtigte Perspektive von Frauen verzichten wolle, mahnte Bogner-Unden: „Hier muss sich endlich was ändern!“
Die anschließende Diskussion zeigte jedoch, dass es unterschiedliche Gründe für den geringen Frauenanteil gibt. Zum einen gebe es strukturelle Gründe aber auch persönliche Gründe, weshalb Frauen gegen eine Kandidatur für ein kommunales Ehrenamt entscheiden. Das Landtagswahlrecht ohne verpflichtende Quotierung, eine mäßige Sensibilisierung der Öffentlichkeit, eine ungenügende Vernetzung von Frauen, die Vereinbarkeit von Ehrenamt und Familie oder die Scheu vor der Öffentlichkeit kristallisierten sich heraus.
Unterschiedliche gesellschaftliche Prägung spielen auch heute noch eine Rolle. Vor knapp 20 Jahren zog Ina Schultz von Thüringen nach Baden-Württemberg. „Für mich war klar, dass ich nach einer Elternzeit wieder arbeiten möchte“, so Schultz. Jedoch war anfangs sehr verwundert, dass es in der Region zunächst keine Kinderkrippen gab, die in Thüringen schon Jahrzehnte eine Selbstverständlichkeit waren. Pamela Schumacher konnte sich nur schwer von Rollenzwängen befreien: „Es war keineswegs normal, dass ich als Mädchen Abitur machen durfte“, so Schumacher, die heute Frauenbeauftragte der Grünen im Landkreis Sigmaringen ist. Hingegen sei es für Cornelia Hund kein Problem gewesen zu studieren. „Meine Eltern waren da schon immer sehr offen.“ Sie machte deutlich, dass Frauen sich doch mehr zutrauen sollten, sagt die alleinerziehende, berufstätige Mutter von zwei Kindern. Jedoch müsse man sich ein Netzwerk von Hilfen aufbauen und eine ordentliche Portion Selbstbewusstsein mitbringen.
Einig waren sich die Diskutanten darin, dass es noch an struktureller Unterstützung mangele. Das Ehrenamt brauche auch ehrenamtsfreundliche Sitzungszeiten, eventuell ein Angebot zur Kinderbetreuung bzw. Aufwandsersatz für Babysitter. Dies würde allen ehrenamtlichen Vertreterinnen und Vertretern in den kommunalen Parlamenten helfen, so Petermann-Mayer.