Bericht von der 51. BDK in Hannover

Von Klaus Harter und Harald Hahn.

Nach einer relativ pünktlichen Hin- und Rückfahrt mit der Bahn sind wir wieder zurück aus Hannover! Mit dabei war Mathias Schultz, der bei der BDK am Stand von BundeswehrGrün teilnahm.

Das war die 51. Bundesdelegierten Konferenz von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Ein paar Tage vor der Abfahrt hatte mich, Klaus Harter, ein Reporter vom Tagesspiegel in Berlin interviewt. Mein Zitat hinsichtlich meines momentanen Gefühlszustandes zu BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – „Wir waten in einem Gummibrei“ – hat es in die Samstagsausgabe bis in die Titelzeile geschafft. Gemeint habe ich damit, dass wir uns nach dem Schock durch die Bundestagswahl orientierungslos fühlen. Weiterhin hatte ich dargelegt, dass es Zeit wird, dass wir uns wieder auf unsere Kraft, unsere Konzepte und unsere Kooperationspartner besinnen.

Schließlich sehen wir ja doch jetzt in Berlin, dass unsere Politik im Wesentlichen von denen weiterverfolgt wird, die uns mit dem lebendigen Teufel in Verbindung brachten und uns für den Untergang des Abendlandes verantwortlich machen wollten. Das war meine Erwartung und Hoffnung, als ich mich als Delegierter aufstellen ließ. Und nun, wieder zu Hause, stellt sich natürlich die Frage:
Ziel erreicht?

Vor einer Bilanz möchten wir einen Blick auf die Themen werfen, die uns in Hannover erwarteten und auf die Atmosphäre, die wir erlebten.

Eröffnet wurde die Konferenz von Franziska Brantner, neben Felix Banaszak unsere Bundesvorsitzende. Sie hielt eine fulminante Rede, in der sie uns auf die kommenden Wahlkämpfe in den ostdeutschen Bundesländern einschwor und die Grundpfeiler unserer DNA benannte.
Sie beschwor die Hoffnung, die erreichten Errungenschaften, den Mut und die Kraft der Macher von Veränderungen, und das sind wir! „Warum glauben wir nicht mehr an uns selbst? Wir haben schon soviel erreicht und wir können noch mehr.“

Klaus Harter mit Franziska Brantner

Dazu benannte sie vier Bausteine:

1. Ehrlichkeit: Die Dinge so zu benennen, wie sie sind, indem wir die Realität schonungslos benennen.

2. Eigenverantwortung: Die Dinge selbst in die Hand nehmen, den Leuten zuhören und miteinander anpacken. Die Demokratie stirbt in den Kommunen, wenn diese nicht mehr die Ressourcen haben, das Leben zu gestalten. Mein Ort, unsere Zukunft, unsere Verantwortung! Das Mögliche ermöglichen!

3. Generationen zusammenbringen und nicht gegeneinander aufhetzen! Kein Ausspielen von Bevölkerungsgruppen gegeneinander! Wir erben diese Erde nicht von unseren Eltern, wir leihen sie von unseren Kindern! Räume schaffen zur Begegnung. „In welchem Land wollen wir leben, einen neuen Generationenvertrag entwickeln.“ In der aktuelle Diskussion um Rente, Krankenversicherung, Wehrpflicht etc. werden Junge gegen Alte ausgespielt. Es fehlt eine Vision, in der wir beschreiben, welche Altersgruppe wie zum Gelingen der Vision beiträgt.

4. Internet befreien: Anwenden europäischer Gesetze zur Eingrenzung der Macht der Tech-Oligarchen! Die Plattformen sind Propagandamaschinen, die unsere Gesellschaften spalten und Angst schüren, weil ängstliche Menschen besser manipulierbar sind!
Das Ziel ist ein Internet der Bürgerinnen und Bürger, dies ist digitale Freiheit.

Lasst uns die Hoffnung erkämpfen, mit Ehrlichkeit, die schmerzt aber befreit, mit Eigenverantwortung, die fordert aber ermächtigt, mit einem Generationenvertrag, der verbindet statt spaltet, mit digitaler Freiheit, die erkämpft und nicht erbettelt wird. – Mit dieser Brandrede wurden auch Ton und Richtung für den Umgang mit den inhaltlichen Fragen der weiteren Tage gesetzt:

  • Wie sollen die Renten ausgestaltet werden, wie kann Generationengerechtigkeit hergestellt werden?
  • Wie kann die Wehrfähigkeit unseres Landes sinnvoll gestaltet werden?
  • Welche Position nimmt die Partei im Nahostkonflikt ein?
  • Wie kann die weitere Unterstützung der Ukraine sichergestellt werden – und, ein ganz wichtiges Thema im Hinblick auf die Glaubwürdigkeit unserer Demokratie:
  • Wie machen wir unsere Kommunen wieder handlungsfähig und befreien sie von der Schuldenfalle, in die sie gerade getrieben werden?

Hierfür braucht es Ehrlichkeit und Beharrlichkeit, in konstruktiven Miteinander der verschiedenen Akteure unserer Partei, Lösungen zu benennen, die den Menschen dienen, ihnen wieder Hoffnung und Mut geben, die Zukunft gemeinsam anzupacken.

Felix Banaszak und Klaus Harter

Felix Banaszak, unser Co-Vorsitzender neben Franziska, machte in seiner Rede keinen Hehl daraus, dass er den linken Flügel der Partei vertritt. Er begann seine Rede mit der Frage, „Warum ist es so schwer geworden, über das Klima zu sprechen?“ Und er drehte sie herum: „Warum ist es so schwer, gehört zu werden, wenn wir über das Klima sprechen?“ Er stellte die Frage, was uns Orientierung gibt, in diesen schwierigen Zeiten.
„Wer nicht weiß, was er will, der wird auch niemanden dafür begeistern, ihm zu folgen“. Aber, so Felix: „Wir wissen, was wir wollen.“

Er forderte uns auf, eine neue, sozial gerechtere, selbstbewusstere Klimapolitik zu entwickeln und die mitzunehmen, die sich  Klimapolitik eigentlich nicht leisten können. Er rief dazu auf, Schluss zu machen mit der Klimapolitik, die von Teilen der Gesellschaft als bevormundend, realitätsfern und elitär empfunden wird, hin zu einer „Ökologie für alle“.

Er beschrieb seinen eigenen Werdegang: wie er in einer Familie  aufgewachsen ist, in der es kein Auto gab und selbst Ikea-Möbel mit der Bahn transportiert werden mussten. Sobald er alt genug war, machte er den Führerschein und kaufte sich ein kleines, rotes Auto. „Das war Leben, das war Freiheit“, ruft er in den Saal. Seine Partei habe in den vergangenen Jahren den Eindruck vermittelt, Autobesitzer und Billigmodekäufer seien die Bösen. Als sei die Familie, die jeden Euro spare, um einmal im Jahr mit den Kindern nach Mallorca zu fliegen, das Problem.

„Alles Quatsch“, ruft Felix in den Saal. Es gebe Menschen, „die an einem Tag so viel CO₂ rauspusten wie ich in einem Jahr. Und ich soll mich schämen? Ich glaub’, es hackt!“

Um das Klimathema wieder zum Gewinnerthema zu machen, forderte er uns auf, weiterhin darauf zu setzen, jedoch mit einer anderen Ausrichtung: „Unsere Klimapolitik soll sich in Zukunft stärker an Haushalte mit unteren und mittleren Einkommen richten. An den Eisenkocher in Eisenhüttenstadt, an die Leute am Band bei Daimler und an die Verkäuferin an der Kasse, Er wirbt für eine „Mitmach-Ökologie, die Menschen nicht entwertet, nicht beschämt, sondern ermutigt“.
Dabei sollen die Klimaziele nicht sinken – und: „Der soziale Anspruch, der muss hoch“!

Die frühere Parteichefin Ricarda Lang, ebenfalls Parteilinke, forderte außerdem mehr Fähigkeit zur Selbstkritik. Die Grünen müssten „immer wieder prüfen, ob wir die richtigen Antworten haben“, sagte sie. Gleichzeitig forderte sie mehr Selbstbewusstsein. „Ängstliche Parteien, die können Meinungen abbilden. Aber mutige Parteien, die können Meinungen bilden“, so Lang.
„Lasst uns eine Klimapolitik machen, von der die Mehrheit profitiert und die die Freiheit der Vielen schützt“, sagte Ricarda Lang.

Cem Özdemir, hoffentlich unser nächster Ministerpräsident in Baden-Württemberg, beschwor die Notwendigkeit, den Klima – und Naturschutz mit der Wirtschaft gemeinsam anzustreben und zu gestalten. Er erinnerte daran, wie wir vor Jahren den damaligen Vorstandsvorsitzenden von Daimler, Dieter Zetsche, eingeladen hatten und ruft provozierend in den Saal: „Und, hat es uns geschadet? Nein, es hat Türen geöffnet!“

Ohne einen wirtschaftsfreundlichen Kurs sei die Klimawende nicht zu schaffen. Technologieführerschaft erringe man „nicht mit radikalen Sprüchen oder Parolen aus Wolkenkuckucksheim“. Ein Zukunftspaket sei nur gemeinsam mit der Industrie zu schaffen, nicht gegen sie. „Wir gehören an ihre Seite, nicht an die Stelle derer, die ihnen sagen, wo es lang geht.“ Auch in der Sicherheitspolitik forderte Özdemir einen eher konservativen Kurs. „Wir müssen das angeschlagene Sicherheitsgefühl wieder in Ordnung bringen. Auch mit robusten Maßnahmen“, sagte er.


Und nun zu den Themen:
Nahostkonflikt. Für mich war es sehr beeindruckend, Ehud Olmert, den früheren Ministerpräsident von Israel und Nasser Al-Kidwa, ehemaliger Außenminister Palästinas, auf der Suche nach einer gerechten Friedenslösung, in unseren Reihen mit begrüßen zu können. Beide warben für eine Zweistaatenlösung.

Mit der Verabschiedung unseres außenpolitischem Leitantrags fordern wir nun die Anerkennung von Palästina auch von Deutschland. Dies ist aus unserer Sicht für gleichberechtigte Verhandlungen über eine Zweistaatenlösung ein zentrales Element. Die deutsche Bundesregierung wird aufgefordert, sich der Initiative von Frankreich und Saudi-Arabien für eine solche Lösung anzuschließen.

Der Antrag mit der Forderung nach einer sofortigen Anerkennung Palästinas wurde mit deutlicher Mehrheit abgelehnt. Israels Ex-Premier Ehud Olmert hatte für eine Zweistaatenlösung geworben, warnte aber auch vor einer schnellen vorzeitigen Anerkennung Palästinas. Diese würde die Verhandlungen für einen Friedensschluss im Gaza-Konflikt erschweren, meinte er.

Wehrdienst. Die Gestaltung des Wehrdienstes ist für uns Grüne von Haus aus ein schwieriges Thema – Joschka Fischer wurde für seine Haltung im Kosovokrieg mit einem Farbbeutel beworfen. Nach harter Auseinandersetzung, vor allem mit den Anträgen unserer Grünen Jugend, setzte sich am Ende der Vorschlag des Bundesvorstands durch, mit dem sich die Partei hinter die von der Regierung beschlossene Pflichtmusterung stellt, also einer Verpflichtung zu Musterung ganzer Jahrgänge. Die Wehrpflicht soll dann nur dann eingeführt werden, wenn es zu wenige Freiwillige gibt.

Mietpolitik. Werner Graf, unser Spitzenkandidat für den Landtagswahlkampf in Berlin 2026, warb für die Einführung eines Mietendeckels. Dieser soll „explodierende Mieten vor allem in Großstädten und ihren Umlandgemeinden“ stoppen.

Deutschlandticket. Beim öffentlichen Nahverkehr wollen wir zurück zu einem Preis von 9 € für das Deutschlandticket. Wenn genug Geld da ist, um das Fliegen billiger zu machen, muss auch genug da sein, um für Nichtfliegende, den Ticketpreis zu senken. Dieser Vorstoß kam von unserer Grünen Jugend. Dieser Vorschlag wurde trotz Gegenrede des Bundesvorstands mit knapper Mehrheit von der Versammlung angenommen.

Homöopathie. Nach jahrelanger Diskussion haben wir uns auf der BDK entschieden, die Bezahlung der Homöopathie aus demKatalog der Kassenleistungen zu streichen. Der Initiator des Antrags meinte: „Gesundheit ist kein Glaubenssystem, sondern eine Frage von Evidenz und Verantwortung“. Er setzte sich am Ende gegen den Widerstand des BuVo durch.

Krieg in der Ukraine. Mit Dmytro Kuleba, dem früheren Außenminister der Ukraine, die Situation dort zu diskutieren, war schon einbesonderes Erlebnis. Er erzählte eindrücklich, wie er in seiner Not beim Angriff Russlands auf sein Heimatland zuallererst Robert Habeck und Annalena Baerbock angerufen hatte und dort auch immer ein offenes Ohr für seine Anliegen fand.

Die Anwesenden waren sich einig darin, und dies wurde auch in vielen Reden zum Ausdruck gebracht, dass wir den von Putin in die Feder der amerikanischen Unterhändler diktierten „Friedens“-plans ablehnen!

Es darf keine Verhandlungen ohne die Ukraine und die europäischen Unterstützer geben. Auch darf es keinen Friedensplan geben, der Putin für seine Aggression belohnt. Außerdem braucht es belastbare Sicherheitsgarantien für die Ukraine, um sie vor einem späteren, erneuten Angriff durch Russland zu schützen. Natürlich kritisierten wir auch Kanzler Merz, der noch im Wahlkampf Taurus-Raketen für die Ukraineversprochen hatte und jetzt nicht liefert.

Es gab noch viele andere Themen, die diskutiert wurden, wie z.B. die Frage nach institutionellem Rassismus in der Polizei, den Justizbehörden etc., Dann widmeten wir den ganzen Sonntagvormittag der Veränderung und Weiterentwicklung unserer Bundessatzung, was ja eher ein trockenes Thema ist, aber bei den schnellwachsenden Mitgliederzahlen unbedingt notwendig ist, wenn wir unsere Beteiligungsstrukturen weiterarbeitsfähig halten wollen.

Nachdem wir in den beiden Nächten sehr spät in unsere Betten gekommen waren, verließen wir die BDK etwas vorzeitig, um den Heimweg anzutreten. Wir waren ein gutes Team, konnten uns gut absprechen und waren in den Abstimmungen einig.

Um auf die Ausgangsfrage zurückzukommen – Ziel erreicht? Wir nehmen viele ermutigende Erlebnisse und Begegnungen mit, wir sind stolz auf unsere Partei, weil wir die Einzigen sind, die nicht nur bis zur nächsten Wahl, sondern weit darüber hinaus denken, auch wenn es weh tut. Der alte Kampfeswille ist wiederaufgeflackert. .Jap – Ziel erreicht!

Klaus Harter und Harald Hahn