Dieses Jahr hat Fiona Skuppin die Haushaltsrede für die Fraktion gehalten:
// es gilt das gesprochene Wort //
Sehr geehrte Mitglieder des Kreistags, sehr geehrte an der Kommunalpolitik Interessierte, sehr geehrte Frau Landrätin Bürkle, sehr geehrte Frau Wiese, ((sehr geehrter Herr Schillinger)), sehr geehrter Herr Schiefer, sehr geehrter Herr Hotz, sehr geehrte Mitglieder der Verwaltung.
Ich wünsche mir die Utopie, dass wir eines Tages eine Zeit haben werden, in der wir keine bundes- und weltpolitischen Themen in der Haushaltsrede ansprechen müssen, weil mal zur Abwechslung alles gut läuft.
Doch wenn ich in die Nachrichten schaue auf die Menschen, die leiden müssen unter dem von der Hamas verursachten Krieg, der seit diesem Jahr in Israel und Palästina tobt und der den in Deutschland herrschenden Antisemitismus und die Islamfeindlichkeit nährt, dann scheint mir eine solche Utopie ganz weit entfernt.
Und noch weiter entfernt sie sich beim Gedanken an den grausamen Krieg in der Ukraine, die strukturelle Gewalt gegen Frauen im Iran, die zunehmende Verrohung der Diskussionskultur und nicht zuletzt die schon jetzt gravierenden Folgen des Klimawandels.
Doch gerade bei solchen lähmenden Themen ist es wichtig, dass wir nicht die Sachen aus dem Fokus verlieren, die wir aktiv verändern und verbessern können oder schon verändert und verbessert haben.
Werfen wir einen Blick zurück auf die Ablachtalbahn: Entgegen aller Bedenkenträger hat die Ablachtal- bzw. Biberbahn kräftig Fahrt aufgenommen und in einer Machbarkeitsstudie ihre Tauglichkeit für den regulären Personennahverkehr offenbart. Der Nutzen-Kosten-Index liegt für die Strecke Mengen-Stockach bei 1,38 und damit deutlich über dem Wert 1, der eine 90%-prozentige Förderung des Ausbaus ermöglicht. Wir sind froh, daß wir mit unserem damaligen Antrag eine haushalterisch wirksame Förderung der Reaktivierung erwirken konnten. 2024 sind letztmalig 20’000 für die Ablachtalbahn eingestellt. Wir danken den Kolleginnen und Kollegen für ihre Zustimmung und hoffen auf weiteres Wohlwollen auch seitens der Verwaltung, wenn wir in folgenden Jahren mit einem moderaten Beitrag dieses Erfolgsprojekt unterstützen können.
Auch das von Seiten der grünen Fraktion in die Wege geleitete Anliegen zur Zertifizierung des Landkreises als Fair-Trade-Landkreis ist auf einem guten Weg. Unser Dank gilt dabei dem Engagement von Fr. Baur und der Projektgruppe und allen beteiligten Vertreter:innen der Kirchen, der Kreisschulen und anderer Schulen, der WiS, und des Unternehmerverbands des Landkreises. Dank Ihnen können wir vermutlich im ersten Quartal 2024 mit einer Zertifizierung rechnen. Doch mit dem Erwerb des Fairtradesiegels ist das Thema noch lange nicht abgeschlossen… es ist ein erster Schritt, auf den weitere folgen werden, um ein Bewusstsein und ein Umdenken hin zu nachhaltigem und fairem Konsum zu schaffen.
Eine weitere wichtige und erfolgreiche Agenda unserer Fraktion wird sich 2024 im Haushalt niederschlagen: Die forcierte Installation von Photovoltaikanlagen auf kreiseigenen Liegenschaften. Bereits 2019 hatten wir den Prüfauftrag gestellt, das Solarstrompotential auf unseren Dächern zu untersuchen. Für den Haushalt 2020 verhandelten wir eine Aufstockung der Mittel für mehr selbsterzeugten grünen Strom dank Photovoltaik. Mit unserem letzten Antrag für eine Verpflichtungsermächtigung vor einem Jahr konnten wir erwirken, daß nun 2024 insgesamt 675’000 Euro investiert, gebaut und installiert werden können. Wir möchten uns ganz herzlich bei der Verwaltung, namentlich bei Herrn Göppel-Wentz für die Realisierung bedanken und besonders bei allen unseren Kolleg:innen für die einhellige Zustimmung. Nicht nur das Klima wird davon profitieren, sondern auch die Geldbeutel der Bürgerinnen und Bürger und die Kreiskasse.
Ein Thema, das mir ein persönliches Anliegen ist und das wir dieses Jahr erfolgreich beschlossen haben und das im Haushalt 2024 wirksam wird, ist die Stärkung der offenen und der kommunalen Kinder- und Jugendarbeit, denn diese zahlt sich aus und zwar nicht nur für die jungen Menschen sondern auch finanziell: Aus jedem Euro, den man investiert in die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen, werden drei Euro, die wieder rauskommen. Von dem her freut es mich, dass die Beteiligten ins kommende Jahr mit einer finanziellen Stärkung des Kreises starten dürfen!
Ein weiterer Erfolg war der Antrag meiner Fraktion, dass uns über den Planungsstand der B311 berichtet wird, auch wenn die Erkenntnisse eher beunruhigend waren, wenn ich die Planerin Constanze Lenz zitieren darf: „Umweltverträgliche Varianten wird es in diesem Raum definitiv nicht geben“. Doch genau dafür setzen wir uns als Fraktion B90 / die Grünen ein. Auch wir wollen die vom Verkehr belasteten Anwohner entlasten und würden entsprechende Straßenbaumaßnahmen mittragen. Aber für uns haben schonende Varianten Vorrang gegenüber breitspurigen Schneisen durch unseren wunderschönen und naturnahen Landkreis. Wir waren schon früh kritisch gegenüber dem milionenschweren Bau einer überdimensionierten Trasse und wir werden auch weiter unsere Einwände äußern.
Daneben gibt es natürlich weitere Themen, die mir und uns als Fraktion Sorgen machen: allen voran unser Sorgenkind, das Krankenhaus. Sorgenkind zum einen, weil es aktuell finanziell für uns als Landkreis ein Minusgeschäft ist, aber auch Sorgenkind, weil es für viele, die dort arbeiten aktuell ein emotionales und kräftemäßiges Minusgeschäft ist. Was man erfährt über den Geist im Haus, über schieflaufende Kommunikation und den Frust auf allen Ebenen, das besorgt in den Zeiten der Krise besonders.
Wir alle könnten jetzt etwas mehr Aufbruchsstimmung gebrauchen, denn durch das Tal der Tränen müssen wir gemeinsam durch. Und jede:r von uns ist eine kleine Stellschraube, an der man selbst drehen kann. So wie die SRH an die Zukunft des Krankenhauses glaubt, indem sie finanziell in die Bresche springt, glaube auch ich an die Zukunft des Krankenhauses, wir als Fraktion, wir als Kreistag glauben an die Zukunft des Krankenhauses und deswegen werden wir mit dem Haushalt 2024 auch viel Geld in die Klinik und mit der Investition in den DaVinci-Roboter auch gezielt in die Attraktivität der Klinik investieren.
Ich bin mir sicher, dass alle Anwesenden sich einig sind, dass Geld, das wir heute in unsere regionale Gesundheitsversorgung investieren, gut investiertes Geld ist. Doch um dieses Geld sinnvoll investieren zu können, müssen wir als Landkreis auch unsere eigene Liquidität im Auge behalten, die im kommenden Jahr mehr als in den Jahren zuvor von der Erhöhung der Kreisumlage abhängig sein wird.
Eine Erhöhung von 29.5 % auf 32 % mag ein starker Sprung sein, aber es ist eine notwendige Erhöhung und das Mindeste, was wir uns als Fraktion wünschen. Als Fraktion haben wir Vertrauen in die Arbeit unseres Finanzdezernenten Hr. Hotz und wenn er uns angesichts der finanziellen Lage sogar zu einer Erhöhung auf 32.5 % rät, dann ist das nichts, was wir mit Blick auf vergangene Haushalte, gestiegene Steuerkraftsummen und gestiegene Schlüsselzuweisungen versuchen sollten kleinzureden, da es ebensoviele finanzielle Risiken gibt z.B. mit der Umsetzung des BTHG oder den noch unabsehbaren finanziellen Auswirkungen des Klimawandels.
Gemäß dem Motto „Spare in der Zeit, dann hast du in der Not.“ möchten wir jetzt schon das Geld in unserem Kreishaushalt wissen, das wir brauchen, um in das Krankenhaus und seine Zukunft zu investieren. Zumal jedes Geld, das über den Kreis geht, solidarisch ist, da der ganze Landkreis davon profitieren kann. Und jeder Euro, den wir nicht in den Schuldendienst stecken und für den wir keine Zinsen zahlen müssen, entlastet am Ende auch die Gemeinden.
An dieser Stelle möchte ich noch an die Hausärzte:innen und die Kreisbevölkerung appellieren: Schicken Sie ihre Patient:innen in das Sigmaringer Krankenhaus bzw. wenn Sie eine intensivmedizinische Behandlung benötigen, dann kommen Sie ins Krankenhaus Sigmaringen. Es läuft auch vieles gut im Krankenhaus Sigmaringen und wir haben gutes und engagiertes Personal, dass sich bestens um Sie kümmern wird.
Neben dem Wirtshaussterben, das wir in den letzten Jahren schon häufiger thematisiert haben, möchten wir diesmal auch das Sterben der kleinen Läden und handwerklichen Bäckereibetrieben in unseren Gemeinden thematisieren. Wie können wir es gemeinsam schaffen, dass kleine, aber für die Region überaus wichtige Verkaufsstrukturen erhalten bleiben und ausgebaut werden? Wie wir als Landkreis da unterstützend tätig werden können ist ein Thema, über das wir gerne im kommenden Jahr ins Gespräch kommen wollen.
Ebenso über den Wunsch nach mehr Engagement im Bereich Ökolandbau. Wir würden uns wünschen, dass sich der Landkreis bei einer erneuten Ausschreibung bewirbt als Biomusterregion. Daneben beschäftigt uns die Frage, wie wir das Landes- und Bundesziel für 30 % Ökolandbau bis 2030 in den Kreisen erreichen wollen, wenn der Kreis hier nicht proaktiver wird.
In dieselbe Kerbe schlägt auch der frühere Antrag meiner Fraktion, bis zum Jahr 2025 den Anteil an biologisch erzeugten Lebensmitteln in der Außer-Haus-Verpflegung auf 25 % zu erhöhen. Auf Nachfrage haben wir erfahren, dass nach wie vor die Beschreibung des Ist-Zustandes von 2020 gilt. Gerade deshalb bleiben wir da dran und erwarten spätestens 2025 konkrete Zahlen und klare, auch quantitative Vorgaben bei Neuverträgen, laut unserer Forderung und laut des damals gefällten Kreistagsbeschlusses.
An dieser Stelle möchten wir als Fraktion einer Person besondern Dank aussprechen, die eine unglaubliche Arbeit für den Landkreis geleistet hat und es auch noch immer tut, und von der wir uns leider im kommenden Sommer verabschieden müssen. Herr Dr. Weber, Sie waren und sind nicht nur ein überdurchschnittlich engagierter Archivar und Leiter der Stabsstelle Kultur und Archiv, sondern auch ein herausragender Geschichts- und Bildungsvermittler im Landkreis. Ich könnte jetzt versuchen all die Veranstaltungen, Bücher, Begegnungen aufzählen, mit denen Sie uns in Erinnerung bleiben werden, aber das würde den zeitlichen Rahmen sprengen, deshalb möchte ich einfach nochmal ein riesengroßes Dankeschön aussprechen an Sie für Ihre Arbeit und ich hoffe, dass wir Sie noch zu vielen Anlässen erleben dürfen! (Wir haben auch noch eine kalorienreiche Ausgabe aus dem Fraktionshaushalt für Sie!)
Natürlich sind wir auch sehr gespannt auf das Neue, was kommt und wünschen der Person, die in die großen Fußstapfen des Dr. Weber tritt, wenn es dann so weit ist einen guten Start!
Einen guten Start wünsche ich auch Ihnen allen für das Jahr 2024, was uns hoffentlich bundes- und weltpolitisch mehr Frieden bringt als die vergangenen Jahre. Gerade für den anstehenden Kommunalwahlkampf wünsche ich uns allen eine friedliche und sachliche Diskussionskultur, die ich mir manchmal im Gremium häufiger gewünscht hätte.
Und nun wünschen meine Fraktion und ich Ihnen ein paar ruhige, besinnliche Tage in der Weihnachtszeit. Bleiben Sie und Ihre Liebsten gesund und ich freue mich schon auf die weitere, konstruktive Zusammenarbeit mit Ihnen bis zum Ende der Legislatur. Danke!
Sigmaringen, im Dezember 2023
Fiona Skuppin, B90/Die Grünen im Kreistag Sigmaringen